nd-aktuell.de / 15.08.2008 / Politik / Seite 13

Die Linke und das Judentum

Peter Nowak
Der Leipziger Wissenschaftler Peter Ullrich hat einen differenzierten Beitrag zur Nahostdebatte der Linken geschrieben, der sich auch noch gut lesen lässt.

Über die Linke und den Nahostkonflikt ist in den letzten Jahren viel geschrieben worden. Trotzdem ist die von Peter Ullrich herausgegebene Broschüre zum schwierigen Verhältnis der Linken zu Nahostkonflikt und Judentum mit Gewinn zu lesen. Für Menschen, die mit dem Thema noch nicht so vertraut sind, bietet sie eine gute historische Einführung. Mit der Materie vertraute Leser bekommen eine kluge Zusammenfassung der Diskusison geliefert.

Der Leipziger Soziologe und Kulturwissenschaftler zieht einen Bogen von frühsozialistischen Schriften, die nicht frei von antisemitischen Formulierungen waren, bis zur Kontroverse um den Text »Zur Judenfrage« von Karl Marx. Die frühe Sozialdemokratie sei von der Assimilierung der jüdischen Bevölkerung in einer neuen sozialistischen Gesellschaft ausgegangen und habe sich aus dieser Position heraus gegen den Antisemitismus gewandt, ihn aber auch unterschätzt, so der Autor. Erst mit der Spaltung der Arbeiterbewegung im Zuge des Ersten Weltkrieges habe sich auch die Stellung zum Judentum polarisiert. Große Teile der Sozialdemokratie und ihrer internationalen Vereinigung Sozialistische Arbeiterinternationale (SAI) bezogen sich zunehmend positiv auf die noch junge zionistische Bewegung. Zu dieser Positionierung hat nach Ullrich neben unverkennbar vorhandenen sozialistischen Elementen im frühen Zionismus auch eine positive Bewertung des Kolonialismus innerhalb der Sozialdemokratie beigetragen. Dem Zionismus wurde in dieser Lesart eine Aufklärungsmission gegenüber der arabischen Landbevölkerung zugewiesen.

Die Kommunistische Internationale hingegen, die den Zionismus weiterhin ablehnte, solidarisierte sich oft unkritisch mit den arabischen Aufständen der 20er und 30er Jahre, selbst wenn sie eindeutig antijüdische Züge trugen. »Für beide Positionen der Arbeiter(innen)bewegung gilt, dass sie zu lange den Antisemitismus unterschätzt haben«, lautet die kritische Bewertung des Autors.

Seine differenzierte Betrachtungsweise behält Ullrich auch bei der Erörterung der Frage, ob die DDR antisemitisch war. Er referiert die unterschiedlichen Positionen und spart nicht mit Kritik am Umgang mit der Shoah und der fehlenden Entschädigung für die Überlebenden. Ausführlich behandelt der Wissenschaftler Diskriminierung und Verfolgung von vermeintlichen »Zionisten« in den frühen Jahren der Republik und die einseitig pro-palästinensische Nahostpolitik der SED. Ullrich betont aber auch, dass es in der DDR trotz aller außenpolitischen Frontstellung gegen Israel nie zur Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung gekommen sei. Auch bei den Beziehungen zur palästinensischen Bewegung habe die DDR versucht, »mäßigend gegen allzu nationalistische, terroristische und anti-israelische Positionen vorzugehen«.

Mit einem kurzen Überblick über den »radikalen Antizionismus« der Neuen Linken und der Trotzkisten endet die anregende Broschüre. Der Autor zeigt mit seiner Arbeit, dass auch bei einem so umstrittenen Thema eine differenzierte Betrachtung möglich ist, ohne eine klare Positionierung aufzugeben.

Peter Ullrich: Begrenzter Universalismus. Sozialismus, Kommunismus, Arbeiter(innen)bewegung und ihr schwieriges Verhältnis zu Judentum und Nahostkonflikt. AphorismA Verlagsbuchhandllung, Berlin 2007, 50 Seiten, 5 Euro.