Kinderbuch

Was uns an Wissen über die Zeit vor 65 Millionen Jahren fehlt, gleicht Kenneth Oppel durch Fantasie wieder aus. In »Nachtflügel« erzählt er die Geschichte der Chiropter, den flugunfähigen Urahnen der Fledermäuse. Dämmer ist einer von ihnen und ein Sonderling: Er kann mit seiner Flughaut flattern. Statt wie seine Artgenossen mühsam Baumstämme hochzukraxeln und anschließend aus großer Höhe zum Insektenfang hinabzugleiten, fliegt Dämmer aus eigener Kraft.

Doch in der prähistorischen Zeit begegnet man Andersartigkeit ähnlich wie heute: Dämmers fortschrittliche Begabung gilt als widernatürlich. Flatterverbot oder Ausschluss aus der Kolonie lauten für ihn die unerquicklichen Alternativen. Die negative Stimmung kippt allerdings, als die Chiropter in Berührung mit einer katzenartigen Rasse kommen, bei der sich ebenfalls eine evolutionäre Veränderung anbahnt: Die gefährlichen Tiere entwickeln neuerdings Lust auf fleischliche Nahrung! Und Dämmer ist der einzige Chiropter, der es mit diesen Bestien aufnehmen kann.

Oppels packende Tier- und Fantasygeschichte überzeugt rundum: Die spannende Handlung und die bildhaften Schilderungen bieten erstklassigen Schmökerstoff, der ambivalente Held und zahlreiche andere Charaktere ermöglichen eine hohe Identifikation. »Nachtflügel« lässt sich als Geschichte einer Persönlichkeitsentwicklung oder auch als Gesellschaftsroman lesen und enthält zudem so manche augenzwinkernde Lektion in Biologie.

Kenneth Oppel, Nachtflügel, Beltz & Gelberg, 468 Seiten, 16,90 Euro (ab 11 J.)