nd-aktuell.de / 16.08.2008 / Wissen / Seite 21

Wichtigster Erbfaktor für Darmkrebs entdeckt

Jeder zweite Träger der Genmutation erkrankt

Walter Willems

Darmkrebs zählt mit rund einer Million Neuerkrankungen pro Jahr weltweit zu den häufigsten Tumorleiden. Als Ursache gilt eine Kombination von Umweltfaktoren, Ernährung und Erbanlagen. Die bisher gefundenen Gene, die zu Darmtumoren beitragen, sind für weniger als fünf Prozent der Erkrankungen verantwortlich. Da das Karzinom aber bei rund 30 Prozent der Patienten familiär gehäuft auftritt, sind vermutlich noch viele genetische Einflüsse unbekannt.

Nun haben amerikanische Forscher eine Genmutation entdeckt, die vermutlich der wichtigste bislang bekannte Einzelfaktor ist, der zu der Erkrankung beiträgt. Das Gen ist verantwortlich für einen Rezeptor, an den der Stoff TGF-beta bindet. TGF-beta hemmt das Zellwachstum und schützt damit maßgeblich vor Krebs.

In der Studie war eine der beiden Kopien für dieses Gen bei zehn bis 20 Prozent der Darmkrebs-Patienten mutiert, aber nur bei einem bis drei Prozent der gesunden Kontrollgruppe. Träger der Mutation haben bei normaler Lebenserwartung ein Erkrankungsrisiko von 50 Prozent, wie die Forscher im Fachjournal »Science« (online, DOI: 10.1126/science.1159397) schreiben. Zum Vergleich: Die Gefährdung der Durchschnittsbevölkerung liegt bei sechs Prozent. Eine veränderte Genkopie erhöht damit das Risiko für Darmkrebs etwa um das Neunfache. Die Forscher räumen ein, dass diese Resultate möglicherweise nur für Menschen europäischer Abstimmung gelten.

Zudem beruht die Studie nur auf der Untersuchung von rund 140 Darmkrebs-Patienten und 100 gesunden Menschen. Sollten größere Studien das Ergebnis bestätigen, könnten die Auswirkungen für die Prävention der Krankheit enorm sein. »Man kann erwarten, dass diese Entdeckung einige Leben retten wird«, sagt Boris Pasche von der Northwestern University in Chicago, einer der beiden Studienleiter. »Wir werden eine größere Zahl bedrohter Personen identifizieren und damit langfristig vielleicht die Fälle von Darmkrebs senken können.« Wenn die Genveränderung bei einem Patienten gefunden werde, so fügt Albert de la Chapelle von der Universität von Ohio in Columbus hinzu, könne man andere Mitglieder der Familie untersuchen, die den Defekt womöglich ebenfalls tragen.

In Deutschland ist Darmkrebs mit jährlich 70 000 Neuerkrankungen die häufigste Tumorerkrankung. Weit mehr als 20 000 Bundesbürger sterben jedes Jahr an einem solchen Karzinom. Dazu trägt vor allem der Umstand bei, dass die Krankheit meistens erst im fortgeschrittenen Stadium erkannt wird.