nd-aktuell.de / 16.08.2008 / Sport / Seite 9

Abendessen

Jirka Grahl

Neulich wollte ich des Nachts noch etwas essen. Es war schon elf, für Olympiareporter eine normale Abendbrotzeit. Oft isst man gleich im Pressezentrum, im »Media Food Court«. Er misst ein paar hundert Quadratmeter und liegt im Keller des Gebäudes.

Die Auswahl dort ist groß. Chinesische Küche hier, mediterrane Küche dort. Geröstete Ente in Teigfladen hier, gegrillte Lammspieße dort. Lachs mit Zuckerschoten, Reissalat, Misosuppe, Blattsalate, Bratwurst, Eiscreme. Pizza aus dem Ofen. Pyramiden aus knallroten Äpfeln, Joghurt, Obstsalat. Immer, wenn ich dort die Hundertschaften Journalisten sehe, die sich die Teller vollschaufeln, muss ich daran denken, wie etliche von ihnen vorher noch gebarmt haben, ob sich denn alle Welt überhaupt bei Olympia ernähren könne?

Zurück zu jenem Abend. Ich war auf dem Heimweg einfach aus dem Linienbus gestiegen, irgendwo, wo es belebt aussah. Es war heiß und mir tat der Nacken weh, weil ich in dem zugigen Doppeldecker nicht aufrecht stehen konnte. Ich war hungrig, schnell sollte es jetzt gehen. Ich lief eine Weile. Doch in sämtlichen Restaurants wurde gerade geputzt oder das Licht ausgemacht. Ich lief und lief. Entschlossen ignorierte ich tapfer drei Filialen derselben US-Fastfoodkette, die ich nacheinander passierte.

Noch einmal war ich hoffnungsfroh, als ich den Hauptbahnhof in der Ferne sah. Da würde ich was Leckeres bekommen, dachte ich. Doch bis in den Bahnhof kam ich nicht: Eintritt nur mit Ticket – nach Aufruf. Deswegen also saßen so viele Chinesen auf dem Vorplatz.

Ich begriff, dass ich fürs Pekinger Abendbrot zu spät war: Also zurück mit dem Taxi ins Medienzentrum, wo es, kaum angekommen, schnurstracks ins Untergeschoss ging. Als ich vor meinem Tablett saß und auf gegrillte Garnelen, scharf gebratenen Spargel und Eierreis starrte, stand für mich fest: Hier gibt’s das beste Kantinenessen, das ich kenne. Ihm widme ich ein Tagebuch. Allerdings nicht ohne anzumerken, dass ich diesbezüglich nicht sonderlich verwöhnt bin. Schließlich ist »Nicky's Schrippenmobil« täglich um elf die einzige Versorgungsmöglichkeit in der ND-Redaktion. Doch davon ein anderes Mal mehr.

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Der ND-Sportredakteur berichtet während der Olympischen Spiele aus Peking. Der Titel seines Tagebuchs »Ni Hao, Beijing« bedeutet »Guten Tag, Beijing«.