Die Schweriner Oberbürgermeisterwahl, mit der bundesweiten Skandalisierung des Falls Lea-Sophie und der Abwahl von OB Norbert Claussen (CDU) spektakulär eingeleitet, scheint allerlei Spaßvögel anzuziehen Da ist zum Beispiel ein Herr Goebel, dessen Internetseite so etwas wie die inoffizielle Belustigungsbeilage zum Wahlkampf darstellt. Erst glänzte Volker Goebel durch homophobe Witze, die er inzwischen entfernt hat. Ansonsten vergleicht er auf seiner Seite »objektiv« die Mitbewerber, wirbt mit der »Lösung des Graffitiproblems« im eher properen Schwerin und stellt ellenlange Artikel über mögliche Vorteile des »Nassscheuerns« bei der Stadtreinigung ins Netz.
Auch Einzelbewerber Fred Kriebel, der als Beruf mal »Ursachenforscher«, mal »Partymacher« angibt und auch als OB mit seinem Künstlernamen »Fredi Sonnenschein« angesprochen werden will, nutzt den Wahlkampf vor allem als Ego-Plattform. Als ihn am Dienstagabend während einer Kandidatenrunde ein Bürger fragt, wie er den finanziell bedrängten Freien Trägern im Sozialbereich beizustehen gedenke, antwortet er: »Mit Rat und Tat.« Die Lacher sind auf seiner Seite. Aber die Wähler?
Knapp ein Monat ist es noch bis zum ersten Wahlgang am 14. September. Und wer die Publikumsreaktionen auf der gut besuchten Veranstaltung der »Schweriner Volkszeitung« als Stimmungsbarometer nimmt, konnte am Dienstag zumindest eines lernen: Eine SED-Biografie reicht in Schwerin nicht mehr, um Bewerber zu diskreditieren. Als Kriebel, der 1988 einige Monate »im Stasi-Knast« saß, auf dem Podium LINKE-Kandidatin Angelika Gramkow wegen ihrer Staatspartei-Vergangenheit anblafft, wird es ziemlich laut im sonst höflich applaudierenden Saal. Der parteilose CDU-Bewerber Hans-Peter Kruse ruft dazwischen: »Auf das Niveau sollten wir uns nicht begeben.«
Es bedarf schon konkreter Fragen, die Bewerber aus der Reserve zu locken. Nach der im Gefolge des Lea-Sophie-Skandals erst angekündigten, dann aber im taktischen Gestrüpp steckengebliebenen Abwahl des Dezernenten Hermann Junghans (CDU) haben Parteien und Verwaltung einen schlechten Ruf. Unisono betonen die sechs daher ihre Überparteilichkeit, alle wollen die Verwaltung durchforsten und mehr auf die Bürger hören. Gramkow räumt ein, in einem Streit um eine Schwimmhallensanierung erst von einer Bürgerinitiative umgestimmt worden zu sein. SPD-Bewerber Gottfried Timm tappt in ein Fettnäpfchen, als er ankündigt, die Ämter durch eine externe »Beratungsgesellschaft« auf Trab bringen zu wollen.
Deutlich werden die Unterschiede beim Haushalt. Schwerin ist notorisch klamm. Sparen wollen alle Kandidaten bei der Verwaltung, zusätzliche Gelder sollen vom Land kommen, das die Zentrumsfunktion der Stadt nicht ausreichend honoriere. Timm, der als Innenminister zu Verbesserungen Gelegenheit gehabt hätte, sieht dabei nicht gut aus. Kruse gibt finanzpolitische Bildungslücken zu (»Frau Gramkow kennt die Zahlen besser«), will aber mit der Rücknahme der Gewerbesteueranhebung punkten, einem wichtigen Teil des jüngsten Haushaltssicherungsplans. Gramkow, die als einzige den hintergründig im Raum stehenden Verkauf städtischer Wohnungen anspricht und ausschließt, Timm und Frank-Peter Krömer, Bewerber der »Unabhängigen«, halten dagegen. Für das Theater wiederum wollen alle kämpfen, auch Kruse. Dabei bereitet Rot-Schwarz gerade dessen Fusion mit Rostock vor, und in der CDU wird gefordert, Theatermittel nach Vorpommern zu verschieben.
Schwerin war schon immer dafür bekannt, dass Gesichter vor Parteien gehen. Mehr denn je kündigt sich diesmal eine Persönlichkeitswahl an; Timm, Kruse und Gramkow sind die ernstzunehmenden Bewerber. Letztere mag dabei hoffen, dass Volker Goebel auf seiner Internetseite wenigstens einmal richtig liegt: Im Kandidatenvergleich führt er die Linksbewerberin derzeit auf dem Favoritenplatz.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/134173.vier-kandidaten-und-zwei-selbstdarsteller.html