Protest elektronisch

Die Synthie-Pop-Veteranen And One spielen in der Zitadelle Spandau

  • Dominic Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Protest elektronisch

Mit ihrem 2006 veröffentlichten Album »Bodypop« hat sich die Berliner Band And One fulminant zurückgemeldet. Die Rotation in den Musikvideokanälen war den Synthie-Pop-Veteranen sicher, was diese aber herzlich wenig interessierte. Das Trio ging auf Tournee, u. a. in den USA und Südamerika. Nun kommt die Band mit dem unverwechselbaren 80er-Jahre-Sound à la Depeche Mode in ihre Heimat zurück und wird heute in der Spandauer Zitadelle Stücke des anstehenden Albums »Bodypop ½« zum Besten geben.

Seit knapp 20 Jahren begeistern And One – mit ihrem charismatischen, hüftschwungerprobten Sänger, Songwriter und Produzenten Steve Naghavi – ihre stetig wachsende Fangemeinde. 1987, so die Legende, kam dem in Iran geborenen Naghavi auf einem Depeche-Mode-Konzert die Idee, sich selber an Computer und Keyboard zu setzen. Erste lokale Erfolge stellten sich alsbald ein. Nach einem Auftritt im TV-Jugendmagazin »Elf 99« entwickelte sich die Debut-Single »Metalhammer« zu einem wirklichen Clubhit. And One wurden beim Independent-Label Machinery unter Vertrag genommen und verwöhnten die Fangemeinde mit fast jährlich erscheinenden Alben. Mit Songs wie »Life isn't easy in Germany« oder »Aus der Traum« schufen sie bereits früh politische Statements gegen Krieg und Rassismus.

Obwohl Synthie-Pop und New Wave Ende der 80er Jahre durch billig produzierte Plastik-Pop-Bands abgelöst wurden und viele Bands der Szene sich in Richtung Techno verliefen, blieben And One bei ihren Wurzeln. Gekonnt und selbstironisch klaut diese Band seither bei den Größen der Szene, ohne dabei den eigenen Stil vermissen zu lassen. Gepaart mit textlichen Sinnlosigkeiten wie in »Sweety, Sweety« oder »Pimmelmann« schaffte es die Band immer wieder, selbst eingefleischten Fans Falten in die Stirn zu meißeln.

Schluss mit lustig war es dann allerdings 2001. Die Band, samt eigenem Studio mittlerweile von Berlin nach Nordhausen umgezogen, geriet ins Visier von Ermittlungsfahndern. Der Halbiraner Steve Naghavi passte mit seinem unregelmäßigen und variierenden Einkommen – typisch für das Musikgeschäft – und einem Wohnsitz in einer ostdeutschen Kleinstadt einfach zu gut in das Bild deutscher Sicherheitsorgane nach dem 11. September. Telefonüberwachungsaktionen, so hörte man, folgten Kontosperrungen und zerstochene Autoreifen. Der kreative Geist Naghavi zog sich vollständig aus der Öffentlichkeit zurück, Plattenveröffentlichungen waren nicht in Sicht. Der 1997 mit dem Major-Plattenlabel Virgin geschlossene Vertrag wurde aufgelöst.

2003 holte Chris Ruiz, Mitbegründer der Band, seinen ehemaligen Bandkollegen Naghavi zurück nach Berlin. Gemeinsam begann die Arbeit an dem politischen Album »Aggressor«. Aus Protest gegen den Irakkrieg wurde auf englischsprachige Texte verzichtet und der Song »Strafbomber« mit harten Riffs und Samples von Sirenengeheul veröffentlicht. Mit einem neuen Vertrag beim Independent-Label Out of Line kehrte die Freude an elektronischer Musik zurück. Ende 2006 folgte das aktuelle Album »Bodypop«, welches im Gegensatz zu »Aggressor« wieder mehr Popallüren zu bieten hatte.

In Spandau folgt heute nun ein Vorgeschmack auf »Bodypop ½«, eine Platte, die ehrlicherweise nur aus Coverversionen bestehen soll.

Auf dem »Zita Pop Festival« in der Zitadelle Berlin-Spandau spielen heute ab 17 Uhr auch Psyche, Mesh und Camouflage. Das And-One-Konzert beginnt um 20.45 Uhr.

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