»Das Spiel ist bei uns Realität«

Jugendliche aus Deutschland und Nicaragua treffen sich zum Klimagipfel

  • Reimar Paul, Göttingen
  • Lesedauer: 3 Min.
Rund 100 Jugendliche aus Nicaragua und Deutschland spielen in Göttingen nicht nur die internationale Klimakonferenz nach, sondern erproben auch nachhhaltiges Wirtschaften.

Die Klimakatastrophe kommt mit Getöse. Um kurz vor elf kracht der drei Meter hohe Turm im evangelischen Bonhoeffer-Haus in Bovenden bei Göttingen zusammen. Die 22 Holzwürfel, die Jugendliche in zwei Stunden aufeinander gestellt haben, verteilen sich polternd auf dem Fußboden. Jeder Würfel steht für eine bestimmte Menge Kohlendioxid. Die Teilnehmer des Aktionsspiels »Öko-Siedler« haben das klimaschädliche CO2 in den Stunden zuvor beim »Häuserbau« angesammelt, die Holzklötze gab es für besonders Strom fressende Anschaffungen und für leichtfertig verschwendete Rohstoffe.

»Das Spiel soll zeigen, dass unser Handeln und Wirtschaften Auswirkungen auf das Klima hat«, sagt der Hörfunk-Journalist und Spielleiter Jan Fragel. Öko-Siedler ist der Auftakt zum 1. Internationalen Bovender Klimagipfel. Etwa 100 junge Leute aus Deutschland und Nicaragua nehmen daran teil. Das zweitägige Treffen wird von der Kirchengemeinde Bovenden ausgerichtet, deren Nicaragua-Gruppe seit 1992 enge Kontakte zur lutherischen Kirche des mittelamerikanischen Landes unterhält.

Donnerstagnachmittag stellte sich der niedersächsische Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel in einer Klima-Talkshow den Fragen der Mädchen und Jungen. Am Freitag wollen sie eine internationale Klimakonferenz nachspielen. »Sie schlüpfen in die Rollen von verschiedenen Ländern und lernen zu argumentieren wie die USA und Deutschland oder Nicaragua und Indien«, sagt Fragel.

»Was wir hier spielen, ist bei uns längst Realität«, sagt Mario. Der junge Nicaraguaner erzählt von Dürre und Wasserknappheit in seinem Land. Und vom Hurrikan »Felix«, der im vergangenen September große Teile der Ostküste verwüstete. 1998 riss der Wirbelsturm »Mitch« sogar ganze Dörfer weg. Hunderte Menschen starben, eine Million wurde obdachlos.

Die kleine lutherische Kirche in Nicaragua, 1983 von Flüchtlingen aus dem Nachbarland El Salvador gegründet, hilft den Opfern der Katastrophen. »Wir bauen Hütten wieder auf und machen bei Wiederaufforstungs-Projekten mit«, sagt Mario. Obwohl der Klimawandel in seinem Land so dramatische Folgen hat, macht dem 19-Jährigen das Spielen sichtlich Spaß: »Ich finde es richtig, dass wir auch bei solchen Themen das Lachen nicht verlernen.«

Auf den Klimagipfel haben sich die Jugendlichen wochenlang vorbereitet. »In allen beteiligten deutschen Schulen war das ein Thema«, berichtet Fragel. Er selbst hat eine Radio-Sendung über die drohende Klimakatastrophe produziert und in den Klassen vorgestellt. Jugendliche aus der Bovender Kirchengemeinde haben mit ihren Gästen aus Nicaragua unter anderem das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und das Bioenergiedorf Jühnde im Kreis Göttingen besucht.

Das Spiel »Öko-Siedler« ist nach dem Einsturz des Turms inzwischen in eine neue Runde gegangen. »Anstatt ihre Häuser einfach draufloszubauen und rücksichtslos Rohstoffe zu verbrauchen, sollen die Jugendlichen nun mehr Augenmerk auf nachhaltiges Wirtschaften legen«, erläutert Fragel. So könnten Teilnehmer die Gebäude beispielsweise mit Sonnenenergie beheizen und sich für einen Standort mit guter Busanbindung entscheiden. Das dauere zwar länger und sei vielleicht nicht so komfortabel, »dafür gibt es dann aber auch keine klimaschädigenden Holzwürfel«.

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