Soldatenberuf gerät in Verruf

Bundeswehr wirbt und wirbt – doch sie findet zu wenig Leute für Krieg

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Bundeswehr laufen Führungskräfte weg, und es gibt immer weniger Bewerber, die länger als notwendig Dienst in Uniform leisten wollen. Denn der findet zumeist im Ausland statt. In Afghanistan sterben immer mehr deutsche Soldaten.
Werbung auf der ILA 2008. ND-
Werbung auf der ILA 2008. ND-

Auch wenn der Aufschwung angeblich durchs Land tobt – es ist für junge Leute nicht immer ganz einfach, einen Job zu finden, der ihnen Auskommen und Perspektive sichert. Da kommt allzu oft das Militär ins Spiel. Die Bundeswehr ist ganz gierig nach guten Leuten, die mehr wollen, als tagein, tagaus Regale im Supermarkt aufzufüllen. Man verspricht den jungen Männern und Frauen die »Karriere Bundeswehr«. Dennoch: Die freiwilligen Meldungen junger Männer und Frauen sind im Vergleich zum Vorjahr um rund 60 Prozent zurückgegangen.

Woran liegt das? Wohl kaum an den Veranstaltungen, mit denen die Truppe bundesweit Tourneen mit Rockbands und viel moderner Technik veranstaltet. Stets findet sich allerlei Volk ein – solange feiern nicht unter Aufsicht eines Hauptfeldwebels geschehen muss. Und wenn ganze Schulklassen zu solchen militärischen Werbeveranstaltungen gekarrt werden sollen, dann übernehmen auch schon mal die Kultusministerien – Beispiel Sachsen-Anhalt – die Kosten des Shuttle-Verkehrs.

In die Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr wird viel investiert. Im kommenden Jahr, so steht es im Entwurf des Einzelplans 14 des Bundes – also des Rüstungshaushaltes –, werden zur »Unterrichtung der Medien« ...und zur »Unterrichtung der Bürger zu Verteidigungsfragen« 2,8 Millionen Euro eingeplant. Plus 175 000 Euro für sonstige Öffentlichkeitsarbeit, die »die Bevölkerung mit Bundeswehr und Bündnis vertraut« machen soll, um »das Verständnis für Grundlagen und Ziele deutscher Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu fördern und zu festigen«.

Wie erfolgreich dieses Verständnis geweckt wird, ist sicherlich eine legitime Frage, angesichts der üppig eingesetzten Steuermittel. Doch ist es beispielsweise im Zentrum für Nachwuchsgewinnung Ost – es ist in Berlin-Grünau zuständig für die Länder Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen – erstens nicht möglich, jemanden zu erreichen, »wenn die Damen und Herren zu Tisch sind«. Und zweitens sagen sie auch danach nichts. Der Ministeriumsmaulkorb ist vielsagend. Unlängst, als es noch Erfolge zu vermelden gab, zeigte man sich medial aufgeschlossener.

Dafür tun die Werber virtuell so einiges. Sie bieten per Internet unter anderem eine flotte Soldatin namens Stefanie Fischer – oder ihren Kollegen Christian Wagner – als Ansprechpartner. Und nicht nur das. Sogar Online-Eignungstests sind abrufbar. Beispiel: »In einem Werk werden 144 Kameras in 4 Stunden gebaut. Wie viele Kameras werden in einer halben Stunde produziert?« Fünf Antwortmöglichkeiten sind vorgegeben. Wer die 18 anklickt, bekommt einen grünen Smilie und damit das für die Verpflichtung Mut machende Lob: »Diese Antwort ist richtig!«

So »vorbereitete« junge Leute, die noch nicht einen Tag Bundeswehr erlebt haben, müssen bei der Musterung als freiwillig Längerdienende unterschreiben, auch im Ausland zu dienen. Doch Nachrichten aus Afghanistan lassen sie – oft auch angeregt durch nachdenklich gewordene Eltern – zögern. Angesichts der Gefahren schwindet der Reiz der 92 Euro steuerfreien Tageszuschlags, den deutsche Soldaten in Afghanistan bekommen. Denn, so der Vizechef des Bundeswehrverbandes Ulrich Kirsch in der »Neuen Osnabrücker Zeitung«: »Bezahlung ist eben nicht alles.«

Die zunehmende Gefährlichkeit des Afghanistan-Einsatzes, meint er, ist ein Grund für den eklatanten Bewerbermangel. Und so will der Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe (SPD), Ausrüstung und Sicherheitskonzept der Bundeswehr »neu auf den Prüfstand« stellen. Das alleine wird nicht genügen. Kommentar Seite 6

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