Mittelmeer wird zum Massengrab

70 Flüchtlinge vor Malta ertrunken – Menschenrechtler kritisieren EU-Abschottungsstrategie

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor Malta sind vermutlich 70 Flüchtlinge ertrunken. Sie haben versucht, von Libyen nach Europa zu gelangen. Acht Menschen überlebten, sie wurden in das Gefangenenlager Safi auf Malta gebracht.

Nach Angaben der Überlebenden lief das völlig überladene Schlauchboot bei starkem Wellengang voll Wasser. Insassen wurden über Bord gespült. Gestartet waren die Flüchtlinge vor gut einer Woche aus der Hafenstadt Zuwara, rund 100 Kilometer von der libyschen Hauptstadt Tripoli entfernt.

Die Schilderungen der Überlebenden gleichen denen vieler Schicksalsgenossen: Zunächst ging das Trinkwasser aus, dann verlor das Boot den Motor, schlug voll Wasser. 70 der 78 Insassen wurden über Bord gespült, unter ihnen auch mehrere Schwangere. Maltesische Fischer retteten schließlich einige Überlebende aus dem schon halb gesunkenen Gummiboot. Die Position der Unglücklichen war da noch 67 nautische Meilen von der europäischen (Insel-)Küste entfernt.

Von Malta aus lief zwar eine größere Suchaktion an, doch da das Wetter schlecht ist, hatten die Helfer ohnehin nicht viel Hoffnung, Überlebende zu finden. Die Europäische Grenzschutzagentur »Frontex«, die von Warschau aus dirigiert wird, ist zurückhaltend mit Informationen. Gegenüber ND verweist man auf einen Kollegen vor Ort. Der bestätigte, dass ein Hubschrauber der deutschen Bundespolizei, der »Frontex« unterstellt ist, seit Mittwoch bei der Suche nach den Vermissten hilft.

Deutschland gehört zu den Wegbereitern der seit Mai 2005 einsatzfähigen Grenzschutzagentur, die sich vor allem um die Abwehr von sogenannter illegaler Migration kümmert. Im vergangenen Jahr hatte Deutschland 148 Beamte der Bundespolizei zu »Frontex« abgeordnet. Sie beteiligten sich an sechs Operationen. Die Kosten waren gering, sie beliefen sich auf 245 000 Euro. Die umfangreichste Operation trug den Namen »Nautilus« und fand in den Seegebieten vor Malta und der italienischen Insel Lampedusa statt. Allein im Rahmen von »Nautilus« wurden 1182 Bootsflüchtlinge entdeckt und 3173 Personen aufgegriffen. Über die Gesamtzahl der gesichteten und festgesetzten Flüchtlinge liegen der Bundesregierung nach eigener Aussage keine Informationen vor. Die »Erhebung, Speicherung und Verarbeitung statistischer Daten« unterliege nationaler Verantwortung.

Karl Kopp, Europareferent von »Pro Asyl«, kritisierte angesichts der erneuten Tragödie, dass die EU immer mehr Geld ausgebe und immer mehr technische Mittel zur militärisch geplanten »Frontex«-Abwehr einsetze, statt Menschen in Not auch nur die Möglichkeit einzuräumen, um Asyl und damit um eine halbwegs sichere Zukunft nachzusuchen. »Die Folge dieser falschen Politik ist, dass das Mittelmeer immer mehr zu einer Art Massengrab wird.«

Neil Falzon, der Vertreter des UN-Flüchtlingshochkommissariats auf Malta, berichtet, die acht Überlebenden des jüngsten Unglücks seien in einem schlechten körperlichen und psychischen Zustand. Die UNHCR-Sprecherin Laura Boldrini verglich das Unglück gegenüber Medien in Rom mit einer Flugzeugkatastrophe. Doch da biete man Überlebenden Hilfe und psychologische Unterstützung an.

Die Schiffbrüchigen verbrachte man ins Lager Safi. Der Inselstaat fährt einen abgestimmt-rigiden Kurs gegen Flüchtlinge aus Afrika. Wer die Insel erreicht, wird in der Regel umgehend ausgewiesen.

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