Der schöne, teure Schein trügt

Haftstrafe für Handel mit gefälschten Markenprodukten

  • Lesedauer: 3 Min.
Peter Kirschey aus Berliner Gerichtssälen.
Peter Kirschey aus Berliner Gerichtssälen.

Wie die schöne Wassilissa schwebt sie daher, die 26-jährige Olena, in einem kleinen ukrainischen Dorf geboren und in Berlin zu Hause, mit scheuem Rehblick und langen, rabenschwarzen Haaren. Als verurteilte Betrügerin verließ sie nach einer knappen Verhandlungsstunde den Gerichtssaal. Ein Geständnis vorausgesetzt, hatten sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung noch vor der Verhandlung auf eine Strafe verständigt. Ein so genannter Deal wurde ausgehandelt, das ersparte allen Beteiligten ein ausuferndes Verfahren, und die Zeugen konnten wieder ungehört nach Hause gehen. Und so kam es dann auch: Neun Monate Gefängnis mit vierjähriger Bewährungszeit. Außerdem muss sie sich 60 Stunden lang ohne Vergütung nützlich machen.

Olena studiert Betriebswirtschaft, und ein wenig wollte sie wohl schon einmal in diesem Bereich tätig werden. Allerding auf nicht ganz legale Weise. Das war ihr bewusst, als sie das Internet für Ein- und Verkäufe nutzte. Drei Jahre ist das nun her. Sie kaufte Artikel – Handtaschen, Cremes, Augenbrauenverlängerer – und verkaufte sie wieder für einen höheren Preis. Bis dahin war alles legal. Doch erweckte sie beim Verkauf den Anschein, dass es sich bei den angebotenen Erzeugnissen um Markenware handelt, und das ist strafbar.

Die Gewinne, die sie unter dem Strich kassierte, waren überschaubar. Zwischen 237 und 588 Euro nahm sie für die Taschenimitate ein. Bei den Haut- und Schönheitscremes waren es zwischen 4,50 und 12 Euro. Als eine Sendung mit sechs »Markentaschen« der Firma Louis Vuitton vom Flughafenzoll beschlagnahmt wurde, war für die reuige Sünderin der Ausflug in die betriebswirtschaftliche Praxis unsanft beendet. Dass sie die Käufer der »Markenerzeugnisse« übers Ohr gehauen hat, gestand sie. Dass damit auch gegen das Markenschutzgesetz verstoßen wurde, will die angehende Betriebswirtschafterin tatsächlich nicht gewusst haben. Man mag es ihr glauben oder auch nicht. Unter dem Strich hat sie bei der Aktion nur Miese gemacht, denn der Computer als Tatwerkzeug wurde eingezogen.

In zwei von insgesamt 19 angeklagten Fällen äußerte das Gericht Bedenken, ob es sich dabei tatsächlich um Betrug gehandelt habe. Denn hier hat die Herstellerfirma der Originalcremes die Tiegel und Tuben aufgekauft mit der Absicht, die Fälschung zu entlarven. Wer aber weiß, dass es sich um einen Abklatsch handelt, der gehört nicht zu den Betrogenen, wertete das Gericht. Also wurden die beiden Fälle kurzerhand aus der Anklageliste gestrichen.

Wie dem auch sei, diese Kriminalitätsform ist ein unverfälschtes Produkt dieser Marktwirtschaft, wo der Schein oft über dem Sein steht, wo der Besitz von Markenklamotten oder Kosmetika etwas über den Wert von Menschen aussagt. Schüler werden nicht selten von dem Wahn gepackt, Originalsachen tragen zu müssen, um mithalten zu können. Kinder aus sozial schwachen Familien bleiben da auf der Strecke, weil sich die Eltern die teuren Fummel nicht leisten können.

Soweit hat die schöne Olena allerdings nicht gedacht, sie wollte nur ihr Geschäftchen machen in der Welt des Geschäfts – und ist damit auf die Nase gefallen.

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