Energieausweis? – »Nie gehört«

Vermieter kennen neue Rechtslage nicht / Mieterverein fordert Nachbesserung

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Einen »Fehlstart« in Sachen Energieausweis beklagt der Berliner Mieterverein (BMV). Seit 1. Juli müssen Vermieter oder Verkäufer einer Immobilie, die vor 1965 bezugsfertig wurde, dieses Dokument einem potenziellen Mieter oder Erwerber »zugänglich« machen. Doch bei 38 Prozent der Anbieter war es gänzlich unbekannt, 34 Prozent sicherten erst bei gezielter Nachfrage zu, dass es »vorhanden« bzw. »in Arbeit« sei, wie ein Bewerbungstest des BMV ergab. »Ein erschreckendes Ergebnis«, kommentierte BMV-Hauptgeschäftsführer Hartmann Vetter.

Noch schlimmer sei, dass in jedem zehnten Fall die Frage nach dem Energieausweis den potenziellen Mieter aus dem Bewerberkreis katapultierte. Etwa nach dem Motto: Da will es einer aber genau wissen, der könnte auch sonst noch Ärger machen. »So kehrt sich das Anliegen um und der Ausweis wird zum Anmietungshindernis«, sagte Vetter. Wohnungsbaugesellschaften ließen die BMV-Tester, die sich auf 170 Wohnungsinserate beworben hatten, bei entsprechender Nachfrage sogar in 15 Prozent der Fälle abblitzen.

Besser schnitten nur die Wohnungsbaugenossenschaften ab. Ein Drittel von ihnen wies auf den Ausweis bereits im Angebot hin, manche geben den Energiekennwert sogar im Hausflur an. Was damit zusammenhängen dürfte, dass viele Genossenschaften ihre Häuser energetisch saniert haben, wie der stellvertretende BMV-Hauptgeschäftsführer Reiner Wild vermutet. Bei der Hälfte der privaten Vermieter war der Ausweis dagegen völlig unbekannt.

Der BMV will das Fehlen jedoch nicht als Ordnungswidrigkeit anzeigen – was den Vermieter bis zu 15 000 Euro kosten könnte –, sondern fordert von der Bundesregierung eine Nachbesserung des Gesetzes. Statt den Mietern oder Erwerbern den Ausweis nur »zugänglich« zu machen, müsse es eine Vorlagepflicht geben, so wie es auch die EU-Richtlinie vorsieht. Zudem sollten sie unaufgefordert eine Kopie des Passes erhalten, um sich mit ihm vertraut zu machen. »Die vier Seiten sind ja nicht so einfach zu verstehen«, so Wild.

Sollte dieses »Transparenzinstrument« weiter so lax umgesetzt werden, seien die Klimaschutzziele nicht zu erreichen, warnte der Mieterverein. Und den Mietern werde eine wichtige Information bei der Wahl ihrer Wohnung vorenthalten. Das böse Erwachen komme dann spätestens bei der ersten Abrechnung der warmen Betriebskosten. Viele Vermieter würden die Vorauszahlungen der warmen Betriebskosten bewusst niedrig ansetzen. Mit der Vorlage des Energieausweises würde dieser Widerspruch deutlich werden.

Auch bei den Mietern spielte der energetische Zustand der Wohnung bisher eine eher untergeordnete Rolle bei der Wohnungswahl. Das werde sich dramatisch ändern, ist sich Wild sicher und sieht enormes Einsparpotenzial. Werden bei unsanierten Wohnungen derzeit monatlich etwa 1,50 Euro pro Quadratmeter für Heizung und Warmwasser fällig, sind es bei sanierten etwa 0,60 Euro. Besonders günstig schneiden übrigens sanierte Plattenbauten ab.

  • Der von Bauexperten ausgestellte Energieausweis für die Eigentümer soll den Energiebedarf eines Gebäudes dokumentieren und den Mietern Anhaltspunkte für die zu erwartenden Heizkosten geben.
  • Etwa 160 000 Berliner Mieter ziehen jährlich um, drei Viertel davon in Häuser, die vor 1965 fertig wurden.
  • Ab 2009 muss es Energiepässe für alle Häuser geben.
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