Wo Nähe noch gelebt wird

Die Nordost-Bausubventionsaffäre fordert einen ersten Politiker-Kopf – ausgerechnet in Pasewalk

  • Velten Schäfer, Schwerin
  • Lesedauer: 3 Min.
Zu Beginn des Jahrzehnts wurden Bau-Subventionsbestimmungen in Mecklenburg-Vorpommern mehr als großzügig ausgelegt. Seit zwei Jahren ermitteln die Staatsanwälte. Mit dem parteilosen Rainer Dambach wurde in Pasewalk nun erstmals ein Bürgermeister suspendiert. Dabei fand der strittige Deal vor seiner Amtszeit statt.

Der Sommer ist vorbei, doch für Rainer Dambach beginnen jetzt die Ferien – und das unfreiwillig. Anfang der Woche hat die Stadtvertretung der 12 000-Einwohner-Stadt vor den Toren Szczecins auf Antrag der CDU den parteilosen Bürgermeister suspendiert. Die Rostocker Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts auf Beihilfe zum Subventionsbetrug.

Dambach dagegen spricht von einer »Kampagne« der lokalen CDU, gegen deren Kandidaten sich der gebürtige Schwabe 2002 in der Direktwahl überraschend durchsetzen konnte, obwohl er erst kurz zuvor in die Stadt gekommen war. Der Beurlaubte hat beim Verwaltungsgericht Greifswald eine Eilverfügung beantragt, um die Suspendierung bis zur Klärung des Vorwurfs zu kassieren.

Ein Paukenschlag in einer Affäre, die Mecklenburg-Vorpommerns Strafverfolger schon seit gut zwei Jahren beschäftigt. In mehreren Städten sind Anfang dieses Jahrzehnts möglicherweise fragwürdige Subventionen in Bauprojekte geflossen. Es geht dabei um »Investitionszulagen« in Höhe von zehn Prozent, die für Vorhaben in den »Kernbereichen« der jeweiligen Stadt oder an »entsprechenden« Standorten von den Finanzämtern vergeben wurden. Dabei wurde der Begriff »Kerngebiet« von den genehmigenden Stadtverwaltungen zuweilen offenbar sehr kreativ ausgelegt.

So ähnlich muss es auch in Pasewalk gelaufen sein: 2001 wurde ein Neubaugebiet weit draußen am Stadtrand fertiggestellt, für das die Stadt eine »Kerngebietsbescheinigung« ausgestellt hatte. Dambach, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal in Pasewalk lebte, sagt im Rückblick, es habe schon »sehr viel Fantasie« bedurft, das als »Kerngebiet« auszuweisen. Doch die damals bestimmende CDU, die heute den Zuwanderer im Rathaus an den Pranger stellt, fand seinerzeit nichts Fragwürdiges an dem Deal. Und die städtische Wohnbaugesellschaft Woba konnte die 1,3 Millionen DM nur zu gut gebrauchen.

Als die Finanzbehörden 2003 um eine Prüfung nachsuchten, hatte der frisch zugezogene Bürgermeister »nicht die nötigen Informationen, um das nachvollziehen zu können«, sagt er. Die Sache sei dann eingeschlafen, bis 2007 eine erneute Prüfung angemahnt wurde. Da forschte Dambach tiefer nach und kassierte den Bescheid. Die Staatsanwälte begannen, in Pasewalk zu ermitten – gegen den Ex-Bauamtschef Horst Rückemann und eine frühere Geschäftsführerin der Woba Die Baugesellschaft hat den fraglichen Betrag inzwischen unter Vorbehalt zurückgegeben.

Erst jetzt begannen auch Ermittlungen gegen Dambach: Er habe 2003 sorgfältiger prüfen müssen. Dies nahm die CDU nun zum Anlass, ihn mit ihrer Ratsmehrheit zu suspendieren – in einer Affäre, die vor seiner Amtszeit angerührt wurde und damals niemandem Kopfschmerzen bereitete.

In ähnlicher Sache sind im Nordosten in den letzten beiden Jahren in einer Reihe von Städten Bauämter und Bauherren ins Visier der Ermittler geraten – etwa in Stralsund, Waren und Sassnitz. Dort wurde dem langjährigen Bürgermeister Dieter Holz (LINKE) vorgeworfen, er habe das Bauamt zu einer kulanten Auslegung des »Kernbereichs« angehalten. Anfang 2007 scheiterte ein Abwahlantrag der CDU gegen Holz nur knapp. Die Staatsanwälte prüfen nach eigenen Angaben aber auch das Gebaren der Oberfinanzdirektion. Dort soll es bis 2004 eine Direktive gegeben haben, solche Anträge großzügig zu prüfen.

Bis auf – ausgerechnet – Dambach ist bisher kein Bürgermeister über die Affäre gestolpert. In seinem Fall scheint ein Satz aus der Eigenwerbung seiner Stadt besondere Bedeutung zu erhalten: »Hier wird Nähe noch gelebt.«

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