»Männergespräche« mit Lawrow in Polen

Angekündigter Besuch des russischen Außenministers löst in Warschau Debatten aus

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 2 Min.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow wird in der kommenden Woche zu Gesprächen mit seinem polnischen Amtskollegen Radoslaw Sikorski und Premier Donald Tusk nach Warschau kommen. Falls Lawrow an einem Treffen mit Präsident Lech

Kaczynski interessiert sei, werde ihn auch das Staatsoberhaupt empfangen, verlautete aus dem »Großen Palast«.

Bereits im Frühsommer vereinbart, wird der Besuch Sergej Lawrows zur ersten Visite des russischen Außenministers in einem EU- und NATO-Staat nach dem Ausbruch des Konflikts im Kaukasus. Dass dieser Konflikt den Besuch unmöglich machen könnte, wurde in Warschau als Spekulation abgetan. »Entschlossenheit gegenüber Russland kann doch nicht gleichbedeutend mit dem Fehlen von Kontakten sein«, sagte Ministerpräsident Donald Tusk Mitte der Woche. Allerdings, betonte Radoslaw Sikorski, werde die Unterhaltung Lawrow – Tusk »ein Männergespräch« sein. Der Premier beabsichtige, dem russischen Außenminister ganz offen zu sagen, wie Warschau die Politik des Kremls in den letzten Wochen bewertet.

Was ein eventuelles Treffen des Gastes mit Lech Kaczynski betrifft, meinte der ehemalige polnische Moskau-Botschafter Stanislaw Ciosek, sei ein »hartes Gespräch zu erwarten, denn beide Gesprächspartner werden bestimmt auf ihren Standpunkten beharren«.

Die »Gazeta Wyborcza« schrieb, Radoslaw Sikorski wolle die polnische Diplomatie mit dem Ziel modernisieren, sie effektiver zu gestalten. Wenn Polen eine wirksame Außenpolitik zu betreiben beabsichtige, könne man sich nicht in die Selbstisolierung begeben, zitierte »Dziennik« am gleichen Tag den polnischen Regierungschef. Die Zeitung berief sich auf Meinungen westlicher Diplomaten, denen zufolge die Gespräche in Warschau ein deutliches Signal dafür sein werden, dass Moskau den Dialog nicht nur mit Polen, sondern mit Europa suche. Sogar Lech Kaczynski unterstrich in einem Interview für »Rzeczpospolita«, Polen sei keinesfalls antirussisch. In seinen weiteren Ausführungen ließ der Präsident allerdings keinen Zweifel an seiner Auffassung, dass die beim EU-Gipfel am 1. September erreichte Einigung in der »Kaukasusfrage« zu »weich« ausgefallen sei. Er hätte sich stärkere Worte gewünscht.

Andrzej Olechowski, in den Jahren 1993 bis 1995 Außenminister, hält derartige Vorstellungen für falsch. Ein längerer Beitrag für die »Gazeta Wyborcza« überschrieb er »Große Probleme, jämmerliche Politik«. Darin unterzog Olechowski Polens gegenwärtige Außenpolitik einer gründlichen Analyse und scharfer Kritik. Vor allem verwies er auf die Widersprüche zwischen den Hauptakteuren in Warschau, die zur Folge hätten, dass die Glaubwürdigkeit Polens unter den europäischen Partnern Schaden genommen hat: »Viele große Worte, keine eindeutige Richtung, verwirrte Erzählungen«, so sehe es heute leider aus. Wenn sie, die polnische Außenpolitik, nicht bald zu Ordnung und Seriosität finde, könne man von Erfolgen nur träumen. Sie werde, wie es der russische Politologe Gleb Pawlowski ausdrückte, zu einer »Show im Bereich der politischen Massenkultur«. Olechowski dazu: »Diesmal können wir uns eine solche Haltung nicht erlauben.«

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