Koch weg, Hessen vorn

  • Willi van Ooyen
  • Lesedauer: 3 Min.
Der 61-jährige Pädagoge ist Fraktionsvorsitzender der LINKEN im hessischen Landtag.
Der 61-jährige Pädagoge ist Fraktionsvorsitzender der LINKEN im hessischen Landtag.

»Hessen vorn« – so lautete einst ein sozialdemokratisches Motto. Nicht nur das. Hessen war in der Zeit des legendären Ministerpräsidenten Georg August Zinn wirklich vorn. Beispielhaft wurden hier soziale und demokratische Aufgaben gelöst und dabei wurde auch Einfluss auf bundesweite Entscheidungen genommen. Seit mit Schröders Agenda- und Kriegskurs sozialdemokratische Politik unter die Räder geriet, konnten rechts-konservative CDU-Politiker dort ernten, wo ihnen das Feld bereitet worden war. Zu ihnen gehört an vorderster Front Roland Koch.

Das Motto »Hessen vorn« erfährt heute eine zeitgenössische Wendung. Solange Roland Koch in Hessen auf der Regierungsbank sitzt und das Land zum Experimentierfeld für neoliberale und demokratiefeindliche Machenschaften verkommt, gilt: Hessen hinten. Doch eine Alternative dazu gibt es. »Koch muss weg« lautete übereinstimmend die Wahlkampfaussage von SPD, Grünen und der LINKEN. Koch abzuwählen wäre schon ein Wert an sich. Aber die Mehrheit der hessischen Wähler will aus gutem Grund mehr: Dem Regierungswechsel muss der Politikwechsel folgen.

Legt man die Parteiprogramme von SPD, Grünen und Linkspartei nebeneinander, stellt man an vielen Punkten erhebliche Differenzen fest. Es finden sich aber auch viele gemeinsame politische Vorstellungen. Genau dieses wurde zum Ärgernis derer, die voll Empörung die Annäherungsversuche der hessischen SPD-Vorsitzenden Andrea Ypsilanti an die LINKE kommentieren. Bei aller Problematik, die hier nicht klein geredet werden soll, ist zu sagen, dass die politische Substanz ausreicht, um einen neuen Weg sozialer Gerechtigkeit und Demokratie zu beschreiten – und nicht nur einen Regierungswechsel zu vollziehen. Das muss aber gewollt sein. Und dafür muss um gesellschaftliche Mehrheiten geworben werden.

Die Widerstände in der SPD gegen eine Abwahl Kochs mit Hilfe der LINKEN machen etwas sehr Grundsätzliches deutlich: Eine sich vom Schröder-Kurs auch nur vorsichtig abwendende SPD hat nur die Alternative, entweder auf absehbare Zeit Juniorpartner der CDU zu bleiben – oder die in einem Fünf-Parteien-System sich ergebende Chance eines Politikwechsels bewusst anzustreben Für die LINKE ist in diesem Prozess nicht der vorauseilende Gehorsam gegenüber dem rechten SPD-Flügel, der abstruse Glaubensbekenntnisse zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr oder zum Verfassungsschutz fordert, oder die Übernahme grüner Positionen das Gebot der Stunde. Vielmehr muss es darum gehen, die Ecken und Kanten beizubehalten, die den Grünen und der hessischen SPD im Lauf der letzten Jahre und Jahrzehnte abhanden gekommen sind.

Unter diesen Voraussetzungen ist es möglich, die eigene Glaubwürdigkeit nicht der Option ›Unterstützung einer rot-grünen Minderheitsregierung‹ unterzuordnen, sondern linke Inhalte zu betonen und gleichzeitig den Weg zu einem Experiment frei zu machen. Die Maxime ist dabei ganz einfach: Alles, was zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Mehrheit der Menschen in Hessen beiträgt, was unter dem Gesichtspunkt sozialer Gerechtigkeit ein Schritt nach vorne ist, zielt in die richtige Richtung.

Gerade in sozialer Hinsicht gibt es in der sozialistischen und linkssozialdemokratischen Tradition Ideen und Politikkonzepte, die es aufzugreifen lohnt. Dieser rote Faden und das Eintreten für nicht-militärische, ökologische und nachhaltige Politik, für gesellschaftliche Teilhabe, demokratische Mitbestimmung und Bildung für alle können die Bausteine sein, auf denen eine »sozial-ökologisch-demokratische Erneuerung« in Hessen fußen sollte. Dann gilt wieder: Hessen vorn!

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