Dem perfekten Abbild auf der Spur

Neue Technologie verspricht exakte dreidimensionale Simulation von Körperteilen

  • Beate Wagner
  • Lesedauer: 4 Min.

Godzilla, King Kong, Gollum – seit Jahren bedienen sich Hollywoods Regisseure digitaler Animationstechniken, um fantastische Ungeheuer naturgetreu darzustellen. An ähnlichen Effekten versuchen sich seit geraumer Zeit plastische Chirurgen des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München. Zusammen mit Informatikern und Ingenieuren arbeiten sie an einer Technologie, die Körperteile künftig dreidimensional darstellen und mathematisch präzise simulieren soll.

Ziel des Forschungsprojektes »Sinus« ist eine exakte 3-D-Darstellung für die Operationsplanung. »Erstmals lässt sich die Geometrie der Körperoberfläche objektiv messen und ihre Veränderung durch die Operation simulieren«, sagt Laszlo Kovacs, Leiter der federführenden Arbeitsgruppe. Um genaue Daten der Körperoberfläche und der Gewebestruktur zu erfassen, setzen die Wissenschaftler zwei verschiedene Methoden ein: Die äußere Körperform wird mittels spezieller Laser in wenigen Sekunden gescannt. »Wir machen praktisch einen virtuellen Gipsabdruck des Körpers«, beschreibt Kovacs das Vorgehen. Für die Simulation der Gewebestruktur wie beispielsweise Fett- oder Drüsengewebe nutzen die Forscher Mittelwerte aus CT- und MRT-Bildern. Diese wurden zuvor nach Geschlecht, Größe, Gewicht und Alter der aufgenommenen Personen geordnet. Oberfläche und Gewebe zusammen ergeben dann das Modell des Patienten.

Zum Einsatz könnte die Technologie bei Brustrekonstruktion nach Krebserkrankung kommen. Bislang gab es da nur zweidimensionale Vorher-Nachher-Fotos. »Mit der 3-D-Simulation kann sich die Patientin schon vor dem Eingriff besser vorstellen, wie ihre Brüste hinterher optimalerweise aussehen könnten«, erklärt Albert Schaeffer, Geschäftsführer des beteiligten Unternehmens PolyDimensions.

Probleme gibt es mit den zweidimensionalen Fotos zuhauf: So sei der Operationserfolg von Erfahrung und Geschick des Arztes abhängig, sagt Kovacs. »Die 3-D-Darstellung ersetzt den Chirurgen zwar auch zukünftig nicht«, sagt der Projektleiter. »Sie hilft ihm aber, präzise zu operieren.« Außerdem lasse sich das Ergebnis erstmals objektiv bewerten. Für plastische Chirurgen ist das wichtig: Häufiger als in anderen Fachbereichen sind ihre Patienten nach der Operation nicht zufrieden. »Momentan ist die Technologie noch in einem experimentellen Stadium und damit auch rechtlich gesehen noch ein Spielzeug«, sagt Schaeffer von PolyDimensions. »Irgendwann könnten die mit der 3-D-Technik ermittelten Daten dem Arzt aber auch mehr juristische Sicherheit bringen.«

Wichtiger als die Visualisierung für die Patienten ist Kovacs zufolge, dass die Operation besser planbar wird. »Wir können zum Beispiel bei jeder Patientin individuell die Volumina messen und so schon vorher entscheiden, welche Art Implantat sie braucht und wie groß es sein muss.« Für den Projektleiter ist der Einsatz der 3-D-Simulation auch in der Gesichts- oder ästhetischen Chirurgie denkbar.

Mit ihrem Projekt betreten die Forscher medizinisches Neuland. Zwar werden beispielsweise Hüftprothesen längst computergesteuert geformt und eingesetzt. Ebenso geben 3-D-Bilder bei Operationen an der Leber Aufschluss über den Gefäßverlauf im Innern des Organs. »Nun wollen wir Körperteile in ihrer ganzen Komplexität fehlerfrei wiedergeben«, sagt Kovacs, der in der Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie der TU München arbeitet, »und ein Prinzip auf den menschlichen Körper übertragen, das in der Industrie längst üblich ist: Dort werden die meisten Gebrauchsgegenstände heute mit 3-D-Technologie entwickelt und produziert.«

Auch Günter Germann, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen, sieht in der neuen Technologie einen Fortschritt. »Mit ihr verbessert sich die Vorstellung, wie eine Nase, ein Ohr oder eine Brust nach dem Eingriff aussehen könnte.« Dennoch warnt er davor, die Methode zu überschätzen. »Wer seriös damit umgeht, muss dem Patienten erklären, dass das Operationsergebnis nur in den seltensten Fällen exakt der Simulation entsprechen kann«, sagt der Chirurg. »Denn der menschliche Körper als biologisches System weist viele Variablen auf, die nie alle berücksichtigt werden können.« Die 3-D-Simulation werde also immer nur Anhaltspunkte liefern.

Das Forschungsprojekt »Sinus« wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert. Ziel der staatlichen Unterstützung ist, den Transfer von Forschungsergebnissen in kleine und mittlere Unternehmen zu steigern. Bei »Sinus« sind das neben der bereits genannten PolyDimensions GmbH, die Steinbichler Optotechnik GmbH, CADFEM GmbH, und VRLOGIC GmbH. Wissenschaftliche Partner sind die Plastische Chirurgie der Klinik rechts der Isar und die Fakultät für Informatik der Technischen Universität München sowie die Fakultät für Ingenieurwissenschaften und Informatik der Fachhochschule Osnabrück.

Für Albert Schaeffer von PolyDimensions ist die eigene Kostenbeteiligung der Industriepartner kein Hinderungsgrund. Er sieht in dem Konzept eher eine große Chance für alle Beteiligten. »Hier werden Techniken und Methoden zusammengebracht, die sich in anderem Zusammenhang längst bewährt haben«, sagt der Geschäftsführer. So beispielsweise seine eigene: Gemeinsam mit einem amerikanischen Unternehmen entwickelte PolyDimensions einen Operationssimulator, mit dem an virtuellen, fotorealistisch dargestellten Organen bestimmte Operationstechniken geübt werden können.

Für die 3-D-Simulation von Körperteilen steuert das Unternehmen nun Hard- und Software bei, die die Simulation für den Mediziner nicht nur sichtbar, sondern durch spezielle Geräte auch real fühlbar machen wird. Schaeffer hofft, bis Ende des Jahres das System zur Marktreife zu bringen.

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