• Frauen-Geschichte(n)

Ingrid Jonker

Frauen-Geschichte(n)

  • Martin Stolzenau
  • Lesedauer: 2 Min.

Als Nelson Mandela, die Symbolgestalt für den Kampf gegen die Apartheid in Südafrika und nach deren Überwindung der erste demokratisch gewählte Präsident des Staates, bei seinem Amtsantritt zu seinem Volk sprach und den Beginn einer neuen Epoche feierte, nahm er auch Bezug auf Ingrid Jonker (Foto: Archiv). Die Dichterin galt während der Apartheid einige Jahre als Hoffnungsträgerin der südafrikanischen Lyrik und wurde mit Preisen geehrt. Sie zerbrach jedoch psychisch am Regime, beging im 32. Lebensjahr Suizid. Sie lebt mit ihrem Werk, das inzwischen auch in deutscher Sprache erschien, nicht nur in der Erinnerung ihrer Landleute weiter.

Die am 19. September 1933 in Douglas in der Kapprovinz Südafrikas geborene Tochter des Journalisten und Politikers Abraham H. Jonker kam nach dem frühen Tod der Mutter und Großmutter mit ihrer älteren Schwester zunächst in ein Waisenhaus. Früh offenbarte sie Interesse für Literatur und griff schließlich schon als Schülerin zur Feder. Die Begabung hatte sie offenbar vom Vater geerbt. Nach dem Schulabschluss begann sie eine Ausbildung als Sekretärin und landete schließlich in einem Verlag, der 1958 ihren ersten Gedichtband veröffentlichte. Ihre Verse offenbaren eine grenzenlose Einsamkeit und Sehnsucht nach Zärtlichkeit und einer besseren Welt. Es war die Zeit, in der die englischsprachige Literatur des sozialen Realismus in Südafrika auch ver- stärkt das Leben in den Slums einbezog. Ingrid Jonker gehörte nicht zur ersten Reihe der offensiven Protestlyrik, eher zu den gemäßigten und dafür stimmungsvolleren Autoren. Doch angesichts der zunehmenden Polarisierung der südafrikanischen Literaturszene geriet auch der gemäßigte Flügel ins Fadenkreuz der Apartheid. Darunter litt die hübsche junge Dichterin vor allem nach der Geburt ihrer Tochter Simone zunehmend. Das Dichten war für sie da zugleich Therapie. 1963 erschien ihr nächster größerer Gedichtband »Rauch und Ocker«, der Einflüsse des Surrealismus offenbart. Dafür erhielt sie den Afrikanischen Buchpreis, das Preisgeld ermöglichte ihr eine längere Reise nach Westeuropa. Die hier erlebte andere Welt, die sich um die Apartheid in ihrer Heimat wenig scherte, sorgte für zusätzliche Depressionen. Die folgende psychatrische Behandlung blieb letztlich erfolglos. Ingrid Jonker sah für sich keine Zukunft mehr und ertränkte sich 1965 in der Three Anchor Bay bei Kapstadt.

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