Britischer Nationalstolz

  • Thomas Wieczorek
  • Lesedauer: 2 Min.

Man stelle sich vor, in der deutschen Fußball-Nationalelf würde eine erbitterte Feindschaft der Regionen herrschen.

Die Folgen: Der Sachse Michael Ballack würde den Brandenburger Tim Borowski nicht anspielen, der Rheinländer Torsten Frings würde sich mit dem Westfalen Christoph Metzelder schon beim Aufwärmen prügeln und der Niedersachse Arne Friedrich mit dem Bayern Bastian Schweinsteiger nicht in einer Mannschaft spielen wollen. Und träten statt einer deutschen Mannschaft ein sächsisches, westfälisches, bayerisches, rheinisches und brandenburgisches Team bei EM und WM an, bliebe man schon in der Qualifikation hängen.

Genau das ist aber britische Realität. Dass England, Schottland, Nordirland und Wales eigene Mannschaften haben, ist nicht nur eine Referenz des Weltverbandes FIFA an das Mutterland des Fußballs. Bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom trat letztmals ein britisches Fußballteam an. Seit 1976 meldet das Königreich erst gar keine Mannschaft zur Olympiaqualifikation, weil die Rivalität der Volksgruppen untereinander zu groß sei.

Nun aber steht Olympia 2012 in London vor der Tür. Über allen Stammeszwist hinweg empfinden es die meisten Briten als absurde Schande, würde der Kampf um die Fußballmedaillen ohne sie stattfinden. Doch bei den Britten scheint das Projekt »one country – one team« schon im Ansatz zu scheitern, zum Beispiel an der Trainerfrage. Als Premierminister Gordon Brown, selbst ein Schotte, mit Alex Ferguson einen anderen Schotten vorschlug, fiel ihm selbst der First Minister von Schottland, Alex Salmond, in den Rücken. Brown habe damit »ein massives Eigentor« geschossen und sich weit »von Schottlands Seele entfernt«.

Beim Fußball scheint der britische Nationalstolz aufzuhören. Bleibt also nur, die Einbürgerung von Weltklassespielern der englischen Premier League anzustreben. Dann könnte Großbritannien 2012 Olympiasieger werden – und vorher Weltmeister.

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