nd-aktuell.de / 13.09.2008 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Gebremster Windenergieboom

Auf der Branchenmesse in Husum werden auch die Probleme benannt

Dieter Hanisch, Husum
Die Windenergie boomt weiterhin. Made in Germany gilt zwar als Qualitätssiegel. Doch auf der Branchenmesse »Husum WindEnergy« meldet sich die Konkurrenz aus den USA, aus China, Südkorea, Indien und Westeuropa lauter zu Wort.

In Husum (Schleswig-Holstein) geht heute die bedeutendste Windenergiemesse zu Ende. Messe-Geschäftsführer Hanno Fecke strahlt: Mit 750 Ausstellern aus nunmehr 35 Ländern gibt es einen Rekord. Und auch die Quote von 28 Prozent ausländischen Besuchern 2007 soll gesteigert werden.

Erstmals eröffnete mit Michael Glos (CSU) ein deutscher Wirtschaftsminister die »WindEnergy«. Doch ausgerechnet Bayern ist Schlusslicht in Deutschland, wo 23 000 Megawatt Windkraftleistung installiert ist. Gerade einmal 347 Turbinen drehen sich im Freistaat, und 2008 sind ganze vier hinzugekommen. Genehmigungsbehörden blockieren die auch von Investoren gewünschte Expansion.

Angesichts des Klimawandels lässt sich mit erneuerbaren Energien richtig gut Geld verdienen. Windanlagen sind ein deutscher Exportschlager (80 Prozent der hier produzierten Anlagen gehen ins Ausland) geworden, und die Anbieter gehen zu ihren Kunden. Kurze Wege sind förderlich, Firmen-Dependancen in China, in Asien, in Südamerika, in Osteuropa und den Mittelmeerländern keine Seltenheit mehr.

Laut Verband der Deutschen Maschinen- und Anlagenbauer betrug die deutsche Wertschöpfung an allen weltweit produzierten Anlagen und Komponenten im Vorjahr ca. 6,1 Milliarden Euro, ein Anteil von knapp 28 Prozent. Rechnet man Installation, Betrieb und Service noch hinzu, wurden hierzulande gar 7,6 Milliarden Euro erwirtschaftet. Die Auftragsbücher sind voll. Der US-Anlagenbauer General Electric spricht von zum Teil zwei und mehr Jahren Wartezeit für Kunden.

Die Story könnte noch erfolgreicher sein, würde es in Deutschland nicht an qualifizierten Nachwuchskräften mangeln. Bernhard Rettler, für das Personalwesen bei Nordex (Norderstedt/Rostock) zuständig, sucht händeringend nach Ingenieuren und Elektro-Facharbeitern. Ende 2005 beschäftigte Nordex 735 Mitarbeiter, derzeit sind es schon 2015. Und bis zum Jahresende könnten 200 zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt werden. Rettler verweist auf die demographische Entwicklung: »In Mecklenburg-Vorpommern haben wir 25 Prozent weniger Schulabgänger als noch vor wenigen Jahren.« Er setzt wie andere darauf, dass die im Rahmen der WindEnergy veranstaltete Jobbörse für Abhilfe sorgt.

Ein weiterer Bremsklotz kommt von den großen Energiekonzernen, die ihre Netzkapazitäten nicht entsprechend erweitern. Da E.on, Vattenfall & Co. weiterhin auf Kohle- und Atomstrom setzen, bauen sie, wenn überhaupt, nur neue Überlandleitungen. Die von Umweltschützern und Anwohnern favorisierte Erdkabelvariante für Windanlagen bleibt, wie es heißt aus Kostengründen, auf der Strecke. Da hilft es auch nichts, dass die Einspeisevergütung für Offshore-Anlagen im neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz von bisher 9,1 Cent auf 13 Cent pro Kilowattstunde ab 2009 angehoben wurde.

Derweil lässt die deutsche Off-shore-Pilotanlage »alpha ventus« vor Borkum weiter auf sich warten. Die Installation der Betonsockel verzögert sich, sodass erst 2009 mit der Stromproduktion zu rechnen ist.