Lilos verlorener Sohn

Walter Herrmann über Schwierigkeiten mit der Erinnerung

  • Karlen Vesper
  • Lesedauer: ca. 8.0 Min.

»Neulich las ich in einem Buch über indische Denker einige Worte Buddhas«, schreibt Lilo Herrmann (1909 - 1938) in einem ihrer letzten Briefe an die Eltern: »Wenn einer seine Mutter auf der einen Schulter und seinen Vater auf der anderen Schulter herumträgt und so hundert Jahre alt würde, so hat er damit immer noch nicht den Eltern Dank gezeigt und deren Wohltaten vergolten.« Am 20. Juni 1938 wird die Kommunistin, Studentin, Mutter eines knapp vierjährigen Knaben, aktive Hitlergegnerin in Berlin-Plötzensee ermordet.

Walter Herrmann
Walter Herrmann

»Sie haben in der DDR etwas über meine Mutter lernen dürfen, ich nicht.« Es klingt wehmütig, fast anklagend, als Walter Herrmann dies sagt. Doch ist dies eine Tatsache. In der DDR war der Name Lilo Herrmann schon Pionieren bekannt. Sie war in Geschichtsbüchern verewigt, Institutionen trugen ihren Namen, Brigaden. In der Bundesrepublik und in Westberlin, wo Walter Herrmann seit Jahr und Tag mit seiner Familie lebt, war sie hingegen nur wenigen als Widerstandskämpferin bekannt, gab es keine Ehrungen. Erst 1988 gelang es Studenten der Stuttgarter Universität, de facto in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, einen Gedenkstein für Lilo, die dort vier Semester Chemie studiert hatte, zu setzen – gegen den Willen des Senats und eines Gutachters: »Es kann bei allem Respekt vor einem unschuldig ermordeten Opfer des nationalsozialistischen Terrors nicht übersehen werden, daß Lilo Hermann im Sinne einer Bewegung wirkte, die die Freiheit von Forschu...


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