Das falsche Versprechen

Vor 15 Jahren unterzeichneten Arafat und Rabin das »Oslo-Abkommen«

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 4 Min.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hält ein Friedensabkommen mit Israel vor Ende dieses Jahres für unwahrscheinlich. Bei den seit fast zehn Monaten laufenden neuen Verhandlungen sei bisher für keine Kernfrage des Konflikts eine Lösung erreicht worden, sagte er in einem Interview der israelischen Zeitung »Haaretz« vom Freitag. Vor 15 Jahren hatte das sogenannte Oslo-Abkommen noch große Hoffnungen gemacht.

Am 13. September 1993 unterzeichneten der israelische Ministerpräsident Yitzhak Rabin und PLO-Führer Yassir Arafat in Anwesenheit von USA-Präsident Bill Clinton vor dem Weißen Haus in Washington ein Friedensabkommen zwischen Israel und Palästina. »Frieden für Land« war die Parole. 1994 erhielten beide dafür den Friedensnobelpreis. Doch 15 Jahre später ist von den Hoffnungen nicht viel geblieben.

Die als »Oslo-Abkommen« bekannt gewordene Vereinbarung erhielt ihren Namen wegen der geheimen Vorverhandlungen, die das ganze Jahr 1993 über in der norwegischen Hauptstadt stattfanden. Seit 1987 hatten die Palästinenser ihre Intifada, den Aufstand gegen die israelische Besatzung, organisiert und für so viel Druck gesorgt, dass Ministerpräsident Rabin schließlich einer Einladung der Norweger zu »informellen Treffen« mit der palästinensischen Seite in Oslo zustimmte. Die PLO um Arafat waren ebenfalls gesprächsbereit.

1988 hatte der (im Exil tagende) Palästinensische Nationalrat einer Zwei-Staaten-Lösung gemäß UN-Resolution 181 (1947) zugestimmt und dem »Terrorismus« abgeschworen. Basierend auf der UN-Resolution 242, die den vollständigen Rückzug des israelischen Besatzungsregimes aus den 1967 besetzten Gebieten fordert, wollte Arafat über »Land für Frieden« verhandeln. Mit einer »Prinzipienerklärung« betonten beide Seiten kurz vor der Unterzeichnung des »Oslo-Abkommens«, es sei »Zeit, die Jahrzehnte der Konfrontation und des Konflikts zu beenden, die legitimen und politischen Rechte auf beiden Seiten anzuerkennen«, nach einem Leben »in friedlicher Koexistenz, in Würde und Sicherheit« zu streben sowie eine »gerechte, dauerhafte und stabile Friedensvereinbarung« zu finden.

Das Abkommen sah den Rückzug der israelischen Streitkräfte aus den besetzten Gebieten während einer fünf Jahre dauernden Übergangszeit vor, die politische Kontrolle sollte an eine palästinensische Regierung übergeben werden. Ausdrücklich ausgeschlossen bei der Vereinbarung blieben der Status von Jerusalem – das von beiden Seiten als Hauptstadt beansprucht wird – sowie die Fragen der palästinensischen Flüchtlinge, der Siedlungen, der Sicherheit und die Grenzfestlegung.

Schon bald stellte sich heraus, dass die Gegner des »Oslo-Abkommens« Recht behalten sollten. Da die Vereinbarung in wesentlichen Punkten unkonkret geblieben war, folgte 1995 ein sogenanntes »Oslo II-Abkommen«, doch auch das blieb ohne Folgen. Israel nutzte diese und weitere Vereinbarungen lediglich, um ein noch ausgefeilteres Besatzungssystem gegen die Palästinenser zu entwickeln. Die palästinensischen Gebiete wurden immer weiter aufgesplittet und durch Straßensysteme, die den Israelis vorbehalten waren, voneinander getrennt. Hunderte militärische Kontrollpunkte in der Westbank verhindern heute ein normales Leben, der Siedlungsbau wird ebenso fortgesetzt wie der Bau einer Trennmauer. Der Gazastreifen wird zu See, Luft und Land von Israel kontrolliert und gilt als ein großes palästinensisches Gefängnis.

Systematisch annektiere der Staat Israel weiteres Land in der Westbank, erklärte jetzt B'Tselem, das israelischen Zentrum für Menschenrechte in den besetzten Gebieten. Tausende von Hektar seien von Siedlern und israelischen Sicherheitskräften neu besetzt worden und hätten damit die Ausmaße einiger Siedlungen mehr als verdoppelt. Palästinenser, die Felder oder Häuser auf dem annektierten Gebiet besaßen, seien mit Waffengewalt vertrieben worden. Familien, die ursprünglich aus dem Ga-zastreifen stammten, inzwischen aber in der Westbank lebten, würden zu »Illegalen Fremden« erklärt und gezwungen, in den Gazastreifen zurückzukehren, sagte Sarit Michaeli, die Sprecherin von B'Tselem. Die Abschiebung sei systematisch und betreffe nicht nur Familien aus den »Sicherheitszonen«. Palästinenser die in den Gazastreifen einreisten, müssten eine Erklärung unterzeichnen, dass sie nie zurück ins Westjordanland kommen würden.

Nach internationalem Recht sind die israelischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten illegal, doch Israel ignoriert das bis heute. 450 000 illegale Siedler leben im Westjordanland und in Ostjerusalem, Tendenz steigend.

Kurz vor dem 15. Jahrestag des Oslo-Abkommens hat nun der saudische Außenminister Prinz Saud al-Faisal gefordert, der UN-Sicherheitsrat müsse sich erneut mit den illegalen israelischen Siedlungen befassen. Mit dem Ausbau weiterer Siedlungen und der illegalen Landnahme unterlaufe Israel den Friedensprozess und schaffe neue Fakten. Genau das ist offensichtlich auch das Ziel Israels, das seit 1948 nicht eine Resolution des Weltsicherheitsrates erfüllte und mit dem Abkommen von Oslo ein falsches Versprechen gab.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal