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Japanische Hemden vom Spendengeld

Erstes Gerichtsverfahren um den Finanzskandal im Berliner Tierschutzverein vor vier Jahren

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.

Skandale haben Inflation, was gestern war, ist heute kaum noch registrierenswert. Somit ist ein Geschehen, das inzwischen vier Jahre zurückliegt, schon fast in tiefe Vergessenheit geraten: die finanziellen Turbulenzen um den Berliner Tierschutzverein und das angeschlossene Tierheim, das sich 2001 am östlichen Stadtrand in Falkenberg / Hohenschönhausen angesiedelt hat.

Gestern begann vor dem Berliner Landgericht ein Zivilprozess gegen den einstigen Geschäftsführer des Tierschutzvereins Volker Wenk. Auf dem Gerichtsweg fordert der Verein vom damaligen Chef rund 204 000 Euro zurück, die er sich unrechtmäßig in die Tasche gesteckt haben soll. Der Verein finanziert sich vor allem durch Spenden und Vermächtnisse von Tierliebhabern, Grund genug, um mit jedem Euro behutsam umzugehen.

Wenk, das machen Unterlagen deutlich, konnte gemeinsam mit seiner Frau Carola Ruff, die die Bücher führte, mit den Geldern nach Gutsherrenart schalten und walten. Keiner schaute genau hin.

Erst als es einen Wechsel an der Spitze des Vereins gab und nachgerechnet wurde, kam der Stein ins Rollen. Es gab keine scharfe Trennung zwischen Vereins- und privaten Konten. Über 400 Einzelposten und Belege, wo private Erwerbungen mit Vereinsgeldern bewerkstelligt wurden, wurden so nach oben gespült. Gerätschaften, wie etwa ein Rasenmäher für 3000 Euro, wurde von Vereinsgeldern erworben, landeten aber auf dem Rasen von Wenk/Ruff. Oder Oberhemden und Unterhosen aus einem japanischen Kaufhaus. In den Aktenbergen 167 Quittungen über 9300 Euro von privaten Essen, die über den Verein abgerechnet wurden. Dabei seien Personen als Teilnehmer aufgeführt worden, die gar nicht anwesend waren. Spenden über 18 000 Euro wurden genannt, die irgendwo im Nirvana versickerten.

Hauptstreitpunkt ist ein Posten über 75 000 Euro, die sich Wenk – bereits als Ruheständler – für Honorartätigkeit zwischen Januar und Oktober 2004 selbst überwiesen haben soll. Zu Unrecht oder nicht? Laut Vertrag sollte Wenk 68 Euro Stundenhonorar erhalten. Der Verein ging von 10 Stunden monatlich aus. Nicht ausgemacht war jedoch, wie viele Stunden abzurechnen seien. Ein fürstlicher Betrag für eine Arbeit, die aus Spendengeldern finanziert wird.

Im Gerichtssaal ging es gestern zu wie auf einem orientalischen Basar. Ein wildgewordener Anwalt, der seine Emotionen nicht unter Kontrolle halten konnte, passte gut in die Szenerie. Es war die so genannte Güteverhandlung, bei der versucht werden soll, ohne auswuchernden Prozess eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.

50 000 Euro bot das Gericht als Verhandlungsbasis an, da ja alles bis ins Detail bewiesen werden müsse. Eine Summe, über die von Rechtsanwalt Johannes Eisenberg mit seinem Mandanten Wenk, der angeblich im Auto vor dem Gerichtsgebäude wartete, weil er den Presseterror nicht ertragen könne, durchaus zu reden sei. Völlig inakzeptabel, erklärte der Tierschutzverein-Anwalt Jan Redeker, ab 150 000 aufwärts sei man bereit nachzudenken. Dann jedoch ging er als letztes Angebot auf 100 000 Euro runter. Eisenberg: Mit mir kann man über alles reden, nicht über Schwachsinn. Damit war der Gütevorschlag gescheitert, die Parteien gingen im Streit auseinander.

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