Entscheidung am Brokkoli

Patente werden inzwischen auch für konventionelle Züchtungen beantragt

  • Susanne Götze
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Widerstand gegen Patente auf Leben soll in letzter Minute Schlimmstes verhindern: Für den 23. Oktober rufen Umweltschützer, Landwirte und Verbraucher zu einer Demonstration vor dem Europäischen Patentamt (EPA) in München auf, um die Patentwelle auf pflanzliche und tierische Produkte zu stoppen.

»Die Europäische Biopatentrichtlinie muss dahingehend geändert werden, dass Tiere und Pflanzen aus konventioneller Zucht generell von den Ansprüchen ausgeschlossen werden«, erklärte Ruth Tippe von der Initiative »Kein Patent auf Leben« auf einer Informationsveranstaltung zum Thema »Bauernrechte im Konflikt mit dem geistigen Eigentum« dieser Tage in Berlin. EU-Bürger und vor allem Landwirte müssten deshalb zum Widerstand gegen neue Patente in der konventionellen Zucht aufgerufen werden.

Doch eigentlich ist es fast schon zu spät. Eine letzte Chance sind die derzeit beim EU-Patentamt laufenden Beschwerden gegen zwei Patenterteilungen auf konventionell gezüchteten Brokkoli und eine spezielle Tomatensorte. Sollten die Beschwerden abgewiesen werden, wird es sehr schwer werden, die einmal eingeschlagene Richtung umzukehren.

Die Biotechnologiefirmen haben allen Grund, diese Entwicklung zu forcieren. Denn Patente bieten – anders als der bisherige Sortenschutz – faktisch die Verfügungsgewalt über die gesamte Produktionskette vom Labor über Acker und Stall bis hin zum fertigen Lebensmittel. Biotechnologiefirmen wie Syngenta oder Monsanto setzen daher alles daran, so viele Patente wie möglich anzumelden.

Bis jetzt waren Patentanmeldungen vor allem bei gentechnisch veränderten Organismen (GVO) üblich. Konventionell gezüchtete Sorten waren bislang nicht patentierbar. Nun soll sich gerade an Brokkoli und der wasserarmen Tomate entscheiden, ob sich auch hier Patente anstelle des Sortenschutzes durchsetzen werden.

»Das ist ein großangelegter Versuch der Unternehmen, nun endgültig das Patent- über das Sortenrecht zu stellen«, meint die Molekularbiologin Tippe. Das gelte es nun, ein für alle Mal zu stoppen. Aufgeweicht wurde die ursprünglich eindeutige EU-Position gegen die Patentierung von Leben durch die 1998 verabschiedete EU-Richtlinie zum »Schutz biotechnologischer Erfindungen«, die auf Druck vieler Biotechnologieunternehmen vom Europäischen Parlament gebilligt wurde. Dort wurde eingeräumt, dass auch in der Züchtung Patente möglich seien, wenn sie nicht »vollständig auf natürlichen Phänomenen wie Kreuzung oder Selektion« beruhten.

Dem steht allerdings das 1973 geschlossene Europäische Patentübereinkommen entgegen, das die Grundlage für das EPA ist. Der Rechtsprofessor Fritz Dolder von der Universität Basel wies darauf hin, dass dort in Artikel 53 eindeutig festgehalten sei, dass Patente nicht auf »Pflanzensorten oder Tierarten sowie für im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren« angewendet werden dürfen. Meist begründeten die Antragsteller von Patenten ihre Ansprüche nun mit einem bestimmten technischen Verfahren. Dies sei die »Hintertür« für die Sicherung von Patenten auf gezüchtete Pflanzen oder Tiere, so Dobler.

Nicht gerade Mut macht da die Position der Bundesregierung. Die auf der Veranstaltung anwesenden Ministeriumssprecher plädierten geschlossen dafür, erst einmal den Ausgang der Beschwerden in München abzuwarten.

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