Arschawin könnte sogar die Bayern retten

Deutschland siegt 2:1 gegen Russland, doch am Ende wurde es immer enger

  • Michael Müller, Dortmund
  • Lesedauer: 3 Min.
Zwei russische Spieler behindern sich gegenseitig. Fotos: dpa
Zwei russische Spieler behindern sich gegenseitig. Fotos: dpa

Sbornaja-Trainer Guus Hiddink dürfte auch nach dem 1:2 gegen Deutschland in seiner Wahlarbeitsheimat gänzlich unumstritten bleiben. Für Kopfschütteln sorgt er dennoch immer wieder. So, als er am Sonnabend in Dortmund vor russischen Journalisten das Spiel analysiert (Frage auf Russisch, Antwort auf Englisch). Mit keiner Silbe erwähnt er, wie ersatzgeschwächt er – ganz anders als Bundestrainer Joachim Löw – in das Match hatte gehen müssen. »Ohne Kolodin, ohne Biljaletdinow, ohne Torbinski, ohne Pawljutschenko, und Hiddink verliert kein Wort drüber.« Der Kollege von der Internetzeitung »Utro« kann nur den Kopf schütteln. »Mit den vier hätten wir’s schon heute gemacht«, ist er sich sicher. Doch Hiddink verweist nur auf die in der ersten Halbzeit zu oft verlorenen Zweikämpfe und darauf, dass die Dominanz der zweiten Hälfte nicht in Tore umgemünzt werden konnte. »Dazu reicht es bei uns noch nicht immer. Aber wir sind auf dem richtigen Weg. Die WM-Qualifikation hat ja erst begonnen.«

Doch beinahe hätten es die Russen doch noch gekippt. Dabei sah es nach der ersten Halbzeit eher aus, als ob sie gehörig unter die Räder kämen. Zwar hatten die Gäste mit Pogrebniak, der eine Flanke von Schirkow aus fünf Metern vor dem deutschen Tor nicht verwandeln konnte, bereits nach drei Minuten die erste Riesenchance, doch dann kommt die DFB-Elf immer besser ins Spiel. Und erfolgreicher. In der 9. Minute setzt sich Podolski nach Zuspiel durch Klose auf engsten Raum gegen drei Gegner durch und schießt überlegt ein. Schweinsteiger nimmt 19 Minuten später ein Zuspiel von Trochowski auf, geht kaum attackiert aufs Tor, bedient Ballack, der den Ball nur noch über die Linie zu drücken braucht. Das waren hoch verdiente Treffer, die sich geradezu zwingend aus einem teils atemberaubenden Direkt- bzw. Doppelpassspiel ergaben. »In dieser Phase hatten wir alles unter Kontrolle«, analysiert Löw. Warum die 65 000 im Stadion in der zweiten Halbzeit nur die Kehrseite der deutschen Medaille zu Gesicht bekamen – darauf wollte er kurz nach dem Abpfiff noch keine Antwort wagen.

Eine Antwort hatte indes die russische Mannschaft in der zweiten Hälfte gegeben. Das junge Team steckte die Gegentore höchst routiniert weg. Die zu Beginn zeitweise ins Schwimmen geratene Abwehr reagierte mit ruhigem Aufbauspiel, im Mittelfeld wurden für die Deutschen die Räume zusehends enger und vorn wurde nicht gefackelt. Zudem haben die Russen mit Andrej Arschawin einen echten Weltklasseangreifer: unberechenbar bis genialisch, antrittsschnell und dribbelstark, kaum mit fairen Mitteln vom Ball zu trennen.

Zum Saisonende (in Russland zum Jahreswechsel) will der 27-Jährige, so wurde auch in Dortmund gemunkelt, weg aus Petersburg. Vielleicht sollten die Bayern noch mal anfragen. Nach der EM galt er dem Vernehmen nach mit 25 Millionen Euro für zu teuer. Hiddink macht kein Hehl daraus, dass er einen Transfer Arschawins ins Ausland durchaus begrüßen würde. »Die großen Ligen sind für die individuelle Entwicklung enorm wichtig. Doch für meine Jungs fehlt wohl ein bisschen der Anreiz, denn auch in russischen Klubs wird erstklassig verdient.«

In gewisser Weise ist Löw in ähnlicher Situation. Wie Hiddink mit Pawljutschenko (Tottenham) hat auch er mit Ballack (Chelsea) nur einen Star im Ausland. Doch das zählte in Dortmund wenig. Als Fazit bleibt: Obwohl die drei Punkte am Ende noch am seidenen Faden hingen, kann das deutsche Team nun mit einem Erfolg am Mittwoch gegen Wales den nächsten wichtigen Schritt zum WM-Gruppensieg tun. Indes wollen die Russen im Rückspiel erstmal geschlagen sein.

Deutschland: Adler - Arne Friedrich, Mertesacker, Westermann, Lahm - Trochowski (84. Frings), Ballack, Hitzlsperger (90.+3 Rolfes), Schweinsteiger - Klose (71. Gomez), Podolski.

Russland: Akinfejew - Anjukow, Beresuzki, Ignaschewitsch, Janbajew (46. Dsagojew) - Syrjanow, Denissow, Semak (84. Sytschew), Schirkow - Arschawin - Pogrebnjak.

Tore: 1:0 Podolski (9.), 2:0 Ballack (28.), 2:1 Arschawin (51.). Schiedsrichter: Fröjdfeldt (Schweden). Zuschauer: 65 607 (ausverkauft)

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