Eine Brücke geschlagen?

Türkische Konzerte bei der Popkomm

  • Franz X. A. Zipperer
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Rahmen des Partnerland-Konzepts der soeben zu Ende gegangenen Berliner Popkomm profilierte sich in diesem Jahr die Türkei. An allen vier Showcase-Abenden traten insgesamt 13 türkische Künstler und Formationen aus Rock, Pop, Folk und DJ-Culture auf. Das Spektrum der Musikstile war leider nicht so breit, wie es die türkische Musikszene hergegeben hätte. Der erste Abend war vom türkischem Rock-Urgestein eröffnet worden: Mogollar.

Vom Stellenwert in der türkischen Szene her sind sie in etwa das, was die Beatles für Großbritannien waren. Das Konzert bewies einmal mehr, welch eine Grundlage ihre Synthese aus türkischen Rhythmen und Harmonien mit westlichen Rockklängen für die Szene am Schnittpunkt zwischen Orient und Okzident geschaffen hat. Aber diese Kraft konnte nicht in die Jetztzeit gerettet werden, so dass der Auftritt auch eher historisierenden Charakter hatte.

Etwas druckvoller gingen dann Athena ins Rennen um die Gunst des Publikums. Auch sie haben in der Türkei musikalische Pioniertaten begangen, sorgten sie doch dafür gesorgt, dass eine bis dato nahezu unbekannte Stilistik, Ska nämlich, das türkische Rockschiff geentert hat. Diese Flagge flatterte mächtig und brachte im Franz-Club der Kulturbrauerei die Tanzbeine ordentlich in Schwung.

Als dann spät am Abend Mazhar-Fuat-Özkan den musikalischen Reigen fürs Erste beschließen, ist der heimelige Club auf Betriebstemperatur. Da machte es nicht mehr ganz so viel aus, dass auch diese Veteranen etwas altbacken daherkamen.

Unter dem Motto »Folk und Pop« betraten Kanunspieler Halil Karaduman, Baglamavirtuose Arif Sag und Popsängerin Deniz Seki am anderen Tag die Bühne. Alle drei werden seit Jahren in der Türkei wie Superstars gehypt. Bei den ersten beiden Protagonisten wird klar, welchen Stellenwert die traditionelle türkische Musik hat. Weiterhin wird eindrucksvoll demonstriert, auf welch hohem musikalischen Niveau diese Szene ihre Musik darbietet und dass auch Tradition eine Interpretation der Gegenwart zu leisten vermag.

Sabahat Akkiraz eröffnete den freitäglichen Abend mit türkischem Folk und poetischer Lyrik. Anschließend gab Yasar, die auf traditionellen Instrumenten spielen, einen weiteren Einblick in die Musikwelt des Folk. Früh am Abend hatten sie sich im Kesselhaus warm gespielt, jetzt bildete das Taksim Trio den fesselnden Abschluss des Abends im Franz-Club. Sie schlagen eine Brücke zwischen westlichem Jazz und türkischer Folklore.

Bei dem samstäglichen DJ-Popkomm zeigten die türkischen Wegweiser weit ins Heute und sogar in die Zukunft. Die beiden Truppen Gevende und Norrda haben mit ihrer elektrifizierten psychedelischen Folkmusik die Schnittstelle zwischen traditionellen und modernen Elementen der türkischen Musik eindrucksvoll und vor allem zeitgemäß definiert.

Fazit: Zu sehr auf Tradition und nicht unbedingt auf musikalische Vielfalt wurde von Seiten der türkischen Veranstalter gesetzt. So kam beispielsweise türkischer Hip-Hop überhaupt nicht zum Tragen. Das ist umso bemerkenswerter, weil hier eine überaus spannende Verbindungslinie zu den in Deutschland lebenden Türken oder türkischstämmigen Deutschen möglich und lohnend gewesen wäre. Bei soviel Traditionalismus ist es auch nicht verwunderlich, dass bei manchen Konzerten das türkische Publikum unter sich blieb.

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