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  • Die großen Industrieländer wollen ihre Programme gegen die Finanzkrise koordinieren

Island ist bei eBay billig zu haben

Auch nach der Bankennationalisierung ist die Gefahr des Staatsbankrotts nicht gebannt

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 4 Min.
Baugur, FL Group, Stodir, Kaupthing, Glitnir – diese Firmen- und Banknamen tauchten in den vergangenen Jahren immer wieder auf, als isländische Investoren in vorher nicht gekanntem Umfang im Ausland einstiegen. Jetzt hat ein Brite den vom Bankrott bedrohten Inselstaat beim Internet-Auktionshaus eBay zur Versteigerung angeboten.

Die nordischen Länder und Großbritannien waren die bevorzugten Ziele isländischer Investoren, finanziert wurden die Käufe von Fluggesellschaften, Supermarktketten, Banken und Immobilien zu einem großen Teil durch billige ausländische Kredite. Damit sind schon zwei Gründe für den Kollaps des isländischen Finanzmarktes genannt. Denn die Kredite sind nicht mehr so billig und müssen in ausländischer Währung getilgt werden. Die isländische Nationalbank ist so weitgehend machtlos, denn die nationalen Valutareserven sind relativ begrenzt.

Zugleich sind die genannten Unternehmen und Banken miteinander verfilzt und besitzen gegenseitig Aktienpakete. Diese ungewöhnlich dichte Verflechtung wurde schon seit langem von nordeuropäischen Finanzanalytikern und internationalen Ratinginstituten kritisiert, denn diese enge Verflechtung bewirkt, dass schon der Fall eines Dominosteins katastrophale Folgen hat. Da das isländische Bruttoinlandsprodukt bei 300 000 Einwohnern trotz einer langen Wachstumsperiode – im Vorjahr waren es um die fünf Prozent – nur knapp zwei Milliarden Euro jährlich erreicht, können Probleme einer Unternehmensgruppe das ganzes Land in Schwierigkeiten bringen.
Inzwischen hat die isländische Nationalbank die drei größten Banken des Landes – Kaupthing, Landsbanki und Glitnir – übernommen, um das in Schieflage geratene Finanzsystem zu stabilisieren und ausländischen Geldgebern wieder Vertrauen einzuflößen. Bisher hat das nicht gefruchtet. Ministerpräsident Geir Haarde sprach offen von der Möglichkeit, dass der isländische Staat bankrottgehen könnte. Bis zur Vorwoche hatte die Regierung gehofft, dass die nordischen Bruderländer helfen würden. Aber diese haben mit sich selbst zu tun und keine Steuerkrone für die Rettung der Spekulationswikinger übrig.

Kein Wunder, dass sich Island stark an einem russischen Kreditangebot von sechs Milliarden Euro interessiert zeigte. Ob es soweit kommt, hängt auch von den Empfehlungen einer Gruppe IWF-Berater ab, die sich in Reykjavik aufhält. Solche Besuche werden sonst nur Ländern der Dritten Welt abgestattet und enden gewöhnlich mit der völligen Umgestaltung der nationalen Volkswirtschaft. Experten rechnen damit, dass das Bruttoinlandsprodukt in den nächsten zwei Jahren um 10 bis 20 Prozent schrumpfen wird. Die öffentlichen Schulden betragen rund 28 Prozent des BIP und machen schon aus diesem Grund den Beitritt zur Eurozone, wie von einigen Politikern öffentlich erträumt, unmöglich. Mittelfristig einen festen Kurs gegenüber dem Euro einzuführen, wäre jedoch eine Möglichkeit, um den freien Fall der Krone zu stoppen. Ähnlich wurde in Dänemark in den 1980er Jahren verfahren, als dort eine tiefe Krise ausbrach.

Man kann nur hoffen, dass die Fischpreise halten und die Nachfrage nach Aluminium anhalten wird. Der Import von Maschinen und Baustoffen (1,5 Milliarden Dollar) für ein neues Werk hat die isländische Außenhandelsbilanz der letzten vier Jahre kräftig belastet. Aber auch viele Isländer trugen mit dazu bei, denn der Absatz etwa von Jeeps war sehr hoch in den letzten Jahren.
Ein Teil des Rettungsplanes der Regierung besteht in der Suche nach ausländischen Investitionen, um die Valutareserven zu stabilisieren. Verkauft man die Fluggesellschaft Sterling, die Investitionsbank FIH oder diverse Supermarktketten aber jetzt, sind Verluste programmiert. Doch die Regierung steht unter Druck, nicht zuletzt, nachdem London Aktiva von 2,5 Milliarden Pfund der britischen Tochterbank von Kaupthing, Singer & Friedlander, sperren ließ. Damit sollten britische Einlagen bei den nationalisierten isländischen Banken gesichert werden. Nun will Reykjavik britische Kunden zumindest teilweise entschädigen. Wie die Regierung in der Nacht zum Sonntag mitteilte, sei darüber »prinzipielle Einigkeit« mit London erzielt worden. Insgesamt werden die Einlagen britischer Privatpersonen, Unternehmen und Gemeinden auf gut fünf Milliarden Euro geschätzt.
Nach dem Stopp von Auslandsaktivitäten der zwangsverstaatlichten Banken hatte Nationalbankchef David Oddsson noch erklärt, es gebe für Auslandskunden nicht die für Isländer geltende Garantie von Einlagen. Bei den Verhandlungen soll sich Island nach Medienangaben nun bereit erklärt haben, pro Konto Einlagen bis zu knapp 20 000 Euro zu erstatten. Vor allem Privatkunden der eingestellten britischen Onlinebank Icesaves, einer Landsbanki–Tochter, sollten schnell entschädigt werden. In Deutschland besteht für 30 000 Kunden der größten isländischen Bank Kaupthing aber weiter völlige Unklarheit über mögliche staatliche Zahlungen aus Reykjavik.

Die isländische Vulkanökonomie ist vorerst erloschen und die Turbokapitalisten, die scheinbar jeder Kaufmannsregel trotzen konnten, haben ausgespielt. Bezahlen müssen die Zeche nicht nur alle Isländer. Für Touristen aus Ländern mit harter Währung hat die Situation aber auch ein Gutes: Die Insel wird billiger. Bei eBay boten die Auktionsteilnehmer bis zu zehn Millionen Pfund (12,59 Millionen Euro) für den wirtschaftlich angeschlagenen Nordstaat.
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