Mit reinem Gewissen auf die Piste

Arosa bietet als erster Ort in den Alpen für die Gäste kostenlose klimaneutrale Pauschalen

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 4 Min.
Zur Energieeinsparung tragen auch die Bergbahnen bei.
Zur Energieeinsparung tragen auch die Bergbahnen bei.

Der Winter steht vor der Tür, viele freuen sich schon auf Ski-Urlaub in den Bergen. Und dann steht da plötzlich der böse – oder neidische? – Nachbar und erklärt einem, wie sehr man doch mit seiner Reise die Umwelt verpestet: durch die Anreise, egal mit welchem Verkehrsmittel, durch den Aufenthalt im Hotel, durch jeden Restaurantbesuch ... Ein bisschen hat er ja auch Recht, meldet sich vielleicht das eigene schlechte Gewissen. Aber deshalb zu Hause bleiben? Muss nicht sein, man kann ja inzwischen vielerorts freiwillig einen Ausgleich für den verursachten CO2-Ausstoß zahlen. Oder man fährt nach Arosa, dann zahlen den Ausgleich die Touristiker vor Ort für ihre Gäste. Das ist bislang einmalig.

Die Grundidee dafür, sagte Pascal Jenny, Direktor von Arosa Tourismus gegenüber ND, sei aus der Tatsache erwachsen, dass Arosa seine Attraktivität dem besonderen Klima verdanke. Seit 1881 der deutsche Arzt Dr. Otto Herwig dessen heilsamen Wirkungen entdeckte und sieben Jahre später hier das erste Sanatorium entstand, nahm der Ort einen rasanten Aufschwung als Kurort für Tuberkulose-Patienten und bald schon für Touristen. »Wir sind uns bewusst«, so Jenny, »dass Arosa seine Attraktivität als Kur-, Ferien- und Sportort langfristig nur dann erhalten kann, wenn nicht nur Landschaft, kulturelles Angebot und Infrastruktur stimmen, sondern auch dafür gesorgt wird, dass das gesunde Klima erhalten bleibt. Ziel sei es deshalb, Treibhausgase bzw. CO2-Emissionen, wo immer es möglich ist, zu vermeiden oder wenigstens zu reduzieren. Da Treibhausgase eine globale Schädigungswirkung haben, sei es, so Jenny, egal an welchem Ort Emissionen entstehen oder vermieden werden. Durch zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen im eigenen Umfeld könne man Treibhausgase anderswo neutralisieren. Und mit dem Projekt »Klimaneutrale Winterferien« wolle Arosa seinen Beitrag dazu leisten.

Deshalb sind auch alle aufgerufen, sich zu beteiligen – Hoteliers, Gastwirte, Skiliftbetreiber und natürlich die Gäste selbst. Dies geschieht durch zahlreiche Maßnahmen zur Energieeinsparung bei den Anbietern vor Ort genauso wie auch durch die Wahl umweltfreundlicher Verkehrsmittel.

Beispielsweise betragen die Treibhausemissionen einer Fahrt von Hamburg nach Arosa mit dem Auto pro Person – je nach Fahrzeugtyp – bis zu 0,24 Tonnen CO2. Durch den Umstieg auf die Bahn, mit der man den Ferienort bequem erreichen kann, können diese deutlich gesenkt werden.

Seit der Wintersaison 2006/2007 bietet Arosa als erster Ort in den Alpen klimaneutrale Reisepauschalen an. Zahlreiche Hotels und Pensionen beteiligen sich an dem Projekt. Der Gast kann sich bei der Buchung seines Urlaubs entscheiden, ob er klimaneutral reisen will oder nicht. Aber eigentlich gibt es keinen Grund, darauf zu verzichten, denn: Die Kosten zur Neutralisierung der Treibhausgasemissionen trägt Arosa Tourismus. Oder anders gesagt, der Urlauber bekommt sein gutes Gewissen für die Fahrt in die Ferien vom Tourismusverband geschenkt und darüber hinaus als bleibendes Souvenir noch ein Zertifikat für seinen Einsatz für die Umwelt. Er muss nur ein paar Angaben zu seiner geplanten Reise vorab machen.

€ Das ist notwendig, um den CO2-Ausstoß, der durch die Urlaubsreise zwangsläufig entsteht, exakt zu berechnen. Mittels eines Fragebogens wird der Gast gebeten, Angaben darüber zu machen, mit welchem Verkehrsmittel er anreist, wie groß die Distanz zu seinem Heimatort ist, in welchem Hotel er wohnt und welche Freizeitaktivitäten er plant. Anhand dieser Daten wird für jeden Urlauber eine individuelle Emissionsberechnung erstellt und an Arosa Tourismus zum Bezahlen weitergereicht. Waren es in der Wintersaison 2006/07 nur sehr wenige Urlauber, die das für sie kostenfreie Angebot nutzten, so kamen in der Wintersaison 2007/08 bereits rund 10 000 Schweizer Franken (ca. 7000 Euro) zusammen. Für die beginnende neue Saison erhoffen die Tourismusvertreter einen weiteren Zuspruch. Das Geld fließt in Emissionsminderungsprojekte der Schmack Biogas AG in Bayern.

Bislang ist Arosa Vorreiter solcher klimafreundlicher Angebote. Ab 2009 werden andere in Graubünden und anderswo in der Schweiz folgen. Geplant ist auch, das Projekt auf die Sommersaison auszudehnen.

Infos: www.arosa.ch/klimaneutral oder www.myswitzerland.com

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