Finanzkrise kommt nach Japan

Nikkei stürzte zuletzt besonders stark ab / Krisenmanagement à la USA

  • Sebastian Maslow, Tokio
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Entwicklungen auf dem japanischen Aktienmarkt sind ein weiteres Kapitel der globalen Finanzkrise.

Unter dem Titel »schwarzer Donnerstag« haben die Händler auf dem Tokioter Börsenparkett den dramatischsten Kursverlust seit 21 Jahren verbucht. Der 225 Werte umfassende Leitindex Nikkei rutschte um über 1000 Punkte oder 11,41 Prozent ins Minus. Am Freitag folgte ein Plus von 2,8 Prozent.

Analysten und Händler sind zunehmend besorgt, dass die Finanzmarktkrise auf die Realwirtschaft übergreifen könnte. Um einen dann folgenden Flächenbrand zu verhindern, präsentiert sich Japans neuer Premierminister Taro Aso als entschlossener Krisenmanager. Dabei werden, ähnlich wie in den USA oder Europa, Milliarden im »Löschflugzeugverfahren« über die finanzpolitischen Brandstellen verteilt. Methoden also, die in Japan im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise in den 1990er Jahren mit mäßigem Erfolg zur Anwendung kamen. Am Donnerstag verabschiedete das Parlament einen Nachtragshaushalt, mit dem ein bereits im August auf den Weg Konjunkturpaket in Höhe von 11,7 Billionen Yen (86 Milliarden Euro) um 1,81 Billionen Yen aufgestockt wird. Diese Summe soll Verbrauchern, Unternehmern und Landwirten zu Gute kommen, die von den gestiegenen Öl- und Materialpreisen am härtesten betroffen sind.

Damit werden die Bemühungen zur Reduzierung des Haushaltsdefizits zurückgefahren. Die Staatsverschuldungsquote von 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist so hoch wie in kaum einem anderen Industrieland. Aso indes lässt keinen Zweifel an der Richtigkeit seiner Pläne aufkommen: »Eine Krise, wie wir sie derzeit erleben, wird sich nur einmal in 100 Jahren ereignen. Japan ist gegenüber den Auswirkungen nicht immun.«

Selbst die regierungsnahe Tageszeitung »Yomiuri Shimbun« meint indes, dass mit den bisherigen Maßnahmen allein der Krise nicht beizukommen ist. Vielmehr benötige man eine Wirtschaftspolitik, die neben der Eindämmung steigender Rohölpreise auch die finanzielle Zukunft kleiner und mittelständischer Unternehmen gewährleiste. Auch die Regierung hat weitere Finanzspritzen angedeutet.

In Tokio weiß man natürlich, dass Japans stark auf den Export ausgerichtete Wirtschaft die negativen Folgen der Finanzkrise besonders stark spüren wird. Dies ist ein Grund dafür, warum die japanische Börse zuletzt besonders stark abgestürzt ist. Zudem haben die jüngsten Pleiten des Lebensversicherers Yamamoto Life und eines Immobilienunternehmens (REIT) viele Marktteilnehmer verunsichert. Die Regierung gibt aber auch den aus ihrer Sicht unzureichenden Maßnahmen Washingtons zur Lösung der Krise an der Wall Street eine Mitschuld.

Derweil pumpt die Zentralbank nach wie vor gigantische Summen in den Geldmarkt, um so den Kreditfluss zwischen den Banken in Gang zu bringen – erst am Donnerstag 600 Milliarden Yen.

Am Freitag kündigte die regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) weitere Finanzmittel für Mittel- und Großbanken an, um so einer Krise im Bankensektor vorzubeugen. »Eine Kreditkrise kann die Realwirtschaft schwerwiegend beeinflussen, weshalb hier Vorsorge nötig ist«, so der LDP-Finanzpolitiker Hakuo Yanagisawa Die Regierung verfolgt bereits seit Wochen hier einen »regionalen« Ansatz, indem sie kleinere Geldinstitute durch öffentliche Finanzspritzen zu stabilisieren versucht. Hierzu wurde ein erst im März ausgelaufenes Rekapitalisierungsgesetz wiederbelebt. Einige kleinere Geldinstitute stehen besonders unter Druck, da sie vom Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers direkt betroffen sind und seit der Privatisierung der japanischen Postbank eines der größten Geldinstitute der Welt als direkten Konkurrenten haben.

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