»Euer Reich-Tun kotzt uns an«

Passend zur Finanzkrise – die Münchner Millionärsmesse lädt ein

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 6 Min.
So oder so: Ein jeder präsentiert sich wie er kann – und will.
So oder so: Ein jeder präsentiert sich wie er kann – und will.

In der U-Bahn, die zum Münchner Messegelände führt, liegen lose Zeitungen herum. »Spartage«, ist auf den Werbeseiten zu lesen, und »Jedes Teil 5 Euro«. Ein Möbelhaus wirbt gar mit der »größten Spar-Party aller Zeiten«. Auch in München, bislang die Bastion der Besserverdiener und der Bussi-Gesellschaft, haben die Leute anscheinend weniger Geld in Tasche.

Die kleinen Leute jedenfalls. Die Anderen treffen sich an diesem Abend draußen in der Halle Sechs des Münchner Messegeländes. Dort wird das Gegenteil einer Sparparty zelebriert: »Millionärsmesse« nennt sich dieses Treffen der Reichen, der Schönen und derer, die sich dafür halten. »Wir vermitteln den Kunden Werte, die beständig sind. Hochwertige Produkte behalten ihren Wert«, sagt der Veranstalter Klaas Obma.

Die Millionärsmesse wird zum ersten Male in Deutschland abgehalten, zuvor konnten sich die Begüterten dieser Welt bereits 16 Mal auf Messen in Moskau, Amsterdam oder Shanghai mit Luxusartikeln eindecken. Gegründet wurde die »Millionaire Fair« 2002 von dem holländischen Verleger Yves Gijrath, der drei Luxuszeitschriften herausgibt. Rund 100 Aussteller bieten auf 16 000 Quadratmeter noch bis Sonntag Teures an. Man rechnet mit 20 000 Besuchern.

An diesem Eröffnungstag kostet der Eintritt zu Abend-Gala 250 Euro. Dafür wird den Besuchern der rote Teppich ausgelegt. Am Eingang warten Scheinwerfer, man wird von einem Sänger und weiß gekleideten Maskenträgern empfangen. Drinnen herrscht Smoking-Zwang und die Herren und Damen in ihren Abendgarderoben wandeln mit Sektglas, begleitet von den Arien eines Opernsängers und bei gedämpften Licht durch die Welt der Nobelprodukte.

Von Goya bis zum Schlangenleder-Klo

Dabei können die Dinge für den gut ausstaffierten Geldbeutel nicht edel und teuer genug sein – auch wenn das Warenangebot doch ein wenig an ein Sammelsurium erinnert. Da wird neben einem Gemälde von Francisco Goya im Wert von 1,8 Millionen Euro ein Luxusklo in Schlangenleder-Design angeboten: »Ein glanzvolles Erlebnis für jeden Gast«, verspricht der Prospekt. Da ist neben der Zahnklinik mit »exklusivem Ambiente« der Hersteller eines Turbo-Diesel-Motorrads (Preis: 95 000 Euro) vertreten. Und anscheinend bekommen Millionäre auch kalte Füße: So wartet eine Firma mit einem Schuhwärmer (»neuartiges Wohlfühlkonzept«) auf.

Aber natürlich sind auf der Messe auch gängige Luxusartikel zu sehen. Die Nobelkarossen von Lamborghini und Maserati etwa oder der Sportwagen Audi R8 (20,4 Liter innerorts), den gibt es schon ab 171 240 Euro. Angeboten werden mit Diamanten besetzte Uhren ab 70 000 Euro aufwärts, ein Wohnmobil mit eingebauter Garage und dazugehörigem Kleinwagen für rund eine Million Euro oder ein »Dirndl-Unikat« für »nur« 2000 Euro. Daneben stehen ferngesteuerte Golfschlägertaschen, Luxusreisen, antikes Reisegepäck oder Nobel-Möbel zum Verkauf.

Der Protest steht wie immer im Regen

Und wer kauft hier ein? Zum Beispiel ein Münchner Immobilienmakler, der sein Geld mit »hochpreisigen Liegenschaften« verdient, und seine Schwester, Geschäftsführerin eines Zulieferbetriebes für die Gold- und Silberminen in Chile: »Wir haben Interesse an schönen Sachen.« Wer mit seinem Reichtum so richtig protzen will, kann dies freilich schon ab ein paar Hundert Euro tun. Dafür gibt es eine mit Goldblatt umwickelte Zigarre. Wozu ist das gut? »Man kann sich freuen, so 400 Euro verdampft zu haben«, heißt es beim Anbieter. Zurück bleibt nur ein güldenes Aschehäufchen.

Dass bei manchen Bankern derzeit in der Bilanz nur ein Aschehäufchen zurückbleibt und die kleinen Leute die Zeche zahlen, dagegen protestieren die Globalisierungsgegner attac und das Münchner Sozialforum unter dem Motto: »Euer Reich-Tun kotzt uns an.« Der Protest findet an anderen Ende der Messehallen statt, die Reichen und Schönen werden ihn wohl kaum wahrnehmen. Während in der Millionärsmesse der Champagner zu Lachstörtchen strömt, regnet es hier in Strömen. Es sind nicht allzu viele, die sich Wind und Wetter aussetzen wollen. »Millionäre enteignen« und »Elite ist Schmarotzer« ist auf einem Plakat zu lesen. Es sei »obszön«, so ein Sprecher des Sozialforums, dass hier der Reichtum zur Schau gestellt werde, während gerade die Bankenverluste sozialisiert würden und für Bildung oder Hartz IV-Betroffene kein Geld da sei. Dass die Messe ausgerechnet am Welternährungstag, auch Welthungertag genannt, eröffnet wurde, erbost die Globalisierungsgegner: »Ein Bruchteil der Milliarden, die nun das Finanzsystem retten sollen, würde genügen, Millionen Menschen zu retten.«

Vor den Hotel, in dem die Veranstalter wohnen, werden Flugblätter verteilt und darauf sind Fakten zu lesen, die mit dem Wachstum des Reichtums in den vergangenen Jahren zu tun haben: die sich öffnende soziale Schere, die fast acht Millionen Menschen, die von Hartz IV leben müssen, die zwei Drittel des Volksvermögens, die sich in der Hand von nur zehn Prozent der Deutschen befindet. »Können wir uns die Reichen noch leisten?«, steht da geschrieben.

»Ja«, meint Millionärsmesse-Geschäftsführer Obma. An derartige Proteste ist man bei den Veranstaltern gewöhnt: »Ich stelle mich gern einer Diskussion.« Man biete doch nur den Ausstellern eine Möglichkeit, ihre Produkte zu präsentieren und zu verkaufen, das schaffe Arbeitsplätze und Steuereinnahmen: »Wir sind nicht schuld an der Krise.« Und außerdem: »Was sollen Kunden, die viel Geld haben, denn damit machen?«

»Feine Unterschiede« in der Klasse

Diese Messe hat auch ein bisschen von einem Schein, von einem Spektakel an sich. Eine Gelegenheit, sich in das Rampenlicht zu stellen. Eine günstige Gelegenheit, sich seine Narzissmus-Streicheleinheiten abzuholen.

Doch eine Veranstaltung wie die Millionärsmesse ist auch eine günstige Gelegenheit, das intimere Leben der gehobeneren sozialen Klasse zu erkunden und ersetzt locker vier Semester Soziologie. Da lernt man zum Beispiel, dass die Commerzbank einen Geschäftsbereich hat, der sich »Private Banking« nennt. Da werden nur Privat-Kunden betreut, die eine Million Euro mitbringen. Und man lernt die »Feinen Unterschiede« kennen, die der französische Soziologe Pierre Bourdieu als charakteristisch für soziale Klassenunterschiede sah. Etwa der leicht herablassende Habitus des Kunsthändlers auf der Millionärsmesse, der den lederjackentragenden Reporter wie eine Art seltsamen Käfer mustert, ihm aber dann doch die Preise der Ölgemälde in den Schreibblock diktiert.

Klassenzugehörigkeit, das geht über in die Haltung, in den Geschmack, ist an der gepflegten Haut, dem wohl sitzenden Anzug, ist an der Sprache erkennbar. Es macht einen Unterschied, sagt Bourdieu, ob man seit frühester Kindheit über einen Linoleumboden oder über schwere Teppiche läuft. Der Reichtumsforscher Michael Hartmann spricht davon, dass die meisten Spitzenmanager in Großunternehmen aus den oberen sozialen Klassen stammen. Um in diesen Klub aufgenommen zu werden, reicht nicht ein Bildungsabschluss, man muss auch die richtige Herkunft haben – die Herren erkennen sich sozusagen am Geruch.

Zu all dem tragen die Nobelprodukte auf der Millionärsmesse bei. Zur Geläufigkeit des Geruchs von Leder in einem Maserati, der Geschmeidigkeit edler Stoffe, der Beflissenheit von subalternen Angestellten. Und ein bisschen kriegt man von den Sorgen der Reichen und Schönen mit: Etwa wenn eine Firma ihr Sicherheitsglas präsentiert: schussdicht bis Kaliber 5,65 mal 45.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal