Abhängig von Moskau

DDR-Außenpolitik in engen Grenzen

  • Hans Voß
  • Lesedauer: 3 Min.

Kaum noch zu zählen sind die Publikationen, die sich mit der Geschichte der DDR befassen. Dabei dominierten lange Zeit solche, die mit dem Ziel verfasst wurden, zu ihrer Delegitimierung beizutragen. Angesichts dessen verwundert es nicht, dass ein solches weites Feld wie die Außenpolitik zunächst fast unterbelichtet erschien.

Seit einiger Zeit hat sich das Bild gewandelt. Gründliche Untersuchungen genereller Linien der internationalen Aktivitäten der DDR und Dokumentenbände erschienen. Auch Zeitzeugen meldeten sich zu Wort. So hat der »Verband für internationale Politik und Völkerrecht e.V.«, dem hauptsächlich ehemalige DDR-Diplomaten angehören, seine Mitglieder zur Darstellung ihrer Kenntnisse und Erfahrungen animiert. Eine »Blaue Reihe« wurde begründet, die das Vorgehen der DDR in bestimmten außenpolitischen Zusammenhängen erfasst. Auch »Kurioses« aus der DDR-Diplomatie fehlt nicht. Und das alles nicht nostalgisch verklärt.

Auf die nun vorliegenden Originalakten und Dokumentenbände sowie die Kapazitäten des »Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin« konnte sich Hermann Wentker stützen. Er untersuchte die Stellung der DDR im internationalen System von 1949 bis 1989. Dem gewählten Titel von den engen Grenzen der Außenpolitik der DDR entspricht es, wenn er deren Abhängigkeitsverhältnis von der Sowjetunion in den Mittelpunkt seiner Abhandlung gestellt hat. Der Autor spricht der DDR – sieht man von der Endphase ihrer Existenz ab – weitgehend Handlungsfähigkeit ab. Moskau habe stets versucht, den Spielraum der DDR, insbesondere im Verhältnis zur Bundesrepublik einzuengen. Einen weiteren Schwerpunkt stellen die deutsch-deutschen Beziehungen dar. Die fast zwanghafte Fixierung auf die BRD, das Wechselverhältnis zwischen dem Kampf um internationale Anerkennung und Abgrenzung von der BRD einerseits und die Notwendigkeit wirtschaftlicher und finanzieller Verflechtungen andererseits, zeigen, in welchem Dilemma sich die DDR stets befand.

Kenntnisreich und informativ sind die Kapitel, die sich mit den Beziehungen der DDR zu den Nachbarstaaten, vor allem zu Polen, befassen. Besondere Beachtung erfahren diejenigen Staaten Asiens, des Nahen Ostens und Afrikas, die für die DDR Schwerpunktländer in ihrem Bemühen um Durchbrechung der Hallstein-Doktrin waren. Ausführliche Angaben über die Strukturen und Verantwortlichkeiten im außenpolitischen Apparat ergänzen die inhaltlichen Wertungen. Natürlich kann man vom Autor nicht erwarten, dass er der DDR und ihrer internationalen Politik Sympathien entgegenbringt. Doch verbaut eine zur Schau gestellte Antipathie gelegentlich den Blick auf deren schwierige Existenzbedingungen sowie auf jene Felder, in denen die DDR im östlichen Bündnis eine Vorreiterrolle übernommen hatte, etwa bei Fragen der Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Entspannung und Abrüstung.

Beachtenswert ist das umfangreiche Quellen- und Literaturverzeichnis sowie Personenregister, ein Zeichen von wissenschaftlicher Gründlichkeit. Zwei kleinere Ungenauigkeiten seien angemerkt: General Ne Win putschte sich nicht 1958 sondern 1962 in Burma an die Macht (Seite 175) und das Schlussdokument des Wiener KSZE-Folgetreffens 1989 wurde nicht von den Außenministern unterzeichnet (Seite 551), sondern per Akklamation angenommen.

Hermann Wentker: Außenpolitik in engen Grenzen. Die DDR im internationalen System 1949 – 1989. R. Oldenborg Verlag, München. 612 S., geb., 49 EUR.

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