Streit um des Kaisers Bart?

Kritiker des Entwurfs zu EU-Wahlprogramm eröffneten »Papierkrieg«

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.
In der LINKEN kommt die Debatte über das Wahlprogramm zur Europawahl 2009 auf Touren. Dem ersten Entwurf folgte inzwischen ein zweiter, der wie der erste umstritten ist – nur haben Kritiker und Befürworter die Rollen getauscht.

Politiker anderer Parteien schmähen die LINKE gern als EU-unfreundliche Partei – so wie der Grünen-EU-Parlamentarier Michael Cramer im heutigen ND (Leserbriefkeller Seite 8). Doch auch Mitglieder der LINKEN selbst sehen offenbar Grund, sich um die pro-europäische Ausrichtung ihrer Partei zu sorgen. In einem Papier, das die Unterschriften zahlloser Funktionären vor allem der jüngeren Generation trägt – darunter die stellvertretenden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Halina Wawzyniak – ist davon die Rede, dass es noch vor Monaten »nur sehr schwer möglich« gewesen sei, einen positiven Bezug der Partei zu Europa herzustellen. Die Gefahr einer Rückkehr hierzu sehen sie mit dem neuen Entwurf nicht völlig ausgeräumt, wie Halina Wawzyniak sagt, auch wenn er in der Tendenz europafreundlich sei.

»Europa ist mehr als Neoliberalismus und Aufrüstung. Europa ist keine Bedrohung«, heißt es trotzig in dem Papier. Man werde sich deshalb inhaltlich wie personell weiter in die Debatte einbringen.

Ob die Differenzen grundsätzlicher Natur oder ein von zänkischen Parteimitgliedern aufgezwungener Streit sind, darüber gibt es offenbar unterschiedliche Auffassungen. Schon die Bewertung der Vorstandssitzung am 29. September fällt nicht einhellig aus. Auf dieser war der erste Entwurf als zu unkritisch gegenüber der EU bewertet und von einer deutlichen Mehrheit mit dem Auftrag zur Überarbeitung versehen worden. In dem Ergebnis wiederum sehen die Verfasser des Jungpolitikerpapiers einen Rückschritt.

Nicht die derzeitige Politik der EU, sondern die EU selbst werde nunmehr kritisiert, erläutert Wawzyniak ihre Position. Hingegen sieht Diether Dehm, europapolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, keinen Streit. Vielmehr macht er eine »babylonische Sprach- und Gedankenverwirrung« aus. Die Unterschiede in den Positionen seien nicht mehr als Nuancen. »Ich sage voraus, dass es auf dem EU-Wahlparteitag der LINKEN kein Hauen und Stechen geben wird, sondern die verschiedenen Anträge zu einem harmonischen Programm zusammengeführt werden.« Seine Beteuerung der Harmonie versieht er allerdings mit der Ergänzung, der parteiinterne Zusammenschluss »Forum Demokratischer Sozialismus«, dem das Gros der Kritiker angehöre, mache sich gern »bei Medien wie dem ›Spiegel‹ beliebt statt bei den Wählerinnen und Wählern«.

In ihrem Diskussionspapier berufen sich die jungen Wilden allerdings klugerweise auf die Parteivorsitzenden Lothar Bisky und Oskar Lafontaine, die ihren zweiten Entwurf ausdrücklich mit dem Vermerk versahen: »Die LINKE ist eine pro-europäische Partei«. Und sie haben mittlerweile auch ihre zweite Ankündigung wahrgemacht und sich personell in die Debatte eingebracht. In Schreiben an die Vorsitzenden präsentierten sie mit Dominic Heilig, Sprecher einer Arbeitsgruppe der Europäischen Linken, vorsorglich einen Wunschkandidaten für die Liste der Partei zum nächsten EU-Parlament.

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