Kein Ende des Arbeitskampfes in Sicht

Auf den Ämtern wächst der Unmut der Bürger wegen der Streiks im öffentlichen Dienst

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit den frühen Morgenstunden drängen sich die Menschen im Bürgeramt Neukölln.
Seit den frühen Morgenstunden drängen sich die Menschen im Bürgeramt Neukölln.

Es ist Punkt acht Uhr in der Früh, als der Sicherheits-Mitarbeiter des Bürgeramts im Rathaus Neukölln die Türen zum Flur der Bearbeitungsräume öffnet. Zügig zwängen sich die Bürger an dem Mann vorbei, die Schlange der Besucher ist lang, sie reicht bis in den Keller des Gebäudes. Damit es an den Automaten für die Wartemarken zu keinen Rempeleien kommt, hat man sie abgestellt – die Marken werden per Hand verteilt.

Ob es aufgrund der Schließung der anderen vier Bürgerämter im Bezirk zu Aggressionen komme? Der Mitarbeiter mit dem schwarzen »Security«-Sweatshirt winkt genervt, aber routiniert ab. »Ich gebe grundsätzlich keine Interviews.« Die Dame am Empfang des Bürgeramtes ist da offener. »Heute morgen war schon eine Dame um kurz nach fünf Uhr da«, berichtet die Frau resigniert. Gleichzeitig versucht sie, Zuversicht auszustrahlen. »Alle werden bearbeit.«

Die Chancen für Bruno Vanzella stehen tatsächlich nicht schlecht, dass es noch heute mit seiner Anmeldung klappt. Der Italiener hat die Nummer »057« ergattert, wofür er allerdings um sieben Uhr kommen musste. Nun wartet er außerhalb des proppenvollen Wartesaals. Klischeevorstellungen vom streikerprobten Italiener weist Vanzella zurück. »In Italien ist es nicht mehr wie vor vielen Jahren, auch dort müssen die Menschen arbeiten«, sagt er.

Dass der Streik im öffentlichen Dienst die Bürger nicht trifft und ins Leere läuft, davon kann an diesem Morgen keine Rede sein. »Die Situation in Neukölln ist katastrophal«, bestätigt Stefanie Vogelsang (CDU), die als Bezirksstadträtin für die Ämter im Südosten zuständig ist. »Die vielen hundert Bürger verstehen nicht, warum der Regierende Bürgermeister die Angestellten des öffentlichen Dienstes so hängen lässt«, meint Vogelsang. Tatsächlich murren einige, im Großen und Ganzen verhalten sich die Menschen jedoch ruhig und diszipliniert. Sollten die Streiks anhalten, könnte die Stimmung jedoch kippen.

Auch in anderen Bezirken müssen inzwischen wie in Neukölln Bürgerämter geschlossen werden. Hinzu kommt, dass den Bezirken und dem Land täglich durch den Arbeitskampf Einnahmen wegen nicht durchgeführten Geschwindigkeits- und Parkkontrollen durch die Lappen gehen. Dass sich an dieser Situation etwas ändert, ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: »Wir haben gestern beschlossen, im November nochmals sämtliche Beschäftigten des öffentlichen Dienstes aufzurufen, auf die Straße zu gehen«, berichtet GEW-Sprecher Peter Sinram. Alle Gewerkschaften der Tarifgemeinschaft des öffentlichen Dienstes seien sich einig gewesen. »Wenn der rot-rote Senat nicht reagiert, dann müssen wir den Druck erhöhen.«

Ähnlich der Gewerkschaftsaktionen in der vergangenen Woche soll es vom 10. bis zum 17. November ablaufen – dann aber acht Tage am Stück. Der Ausfall der Kita-Betreuung, des Schulunterrichts und in den Ämtern und Behörden soll den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit wieder an den Verhandlungstisch zwingen, um über die Forderungen nach 2,9 Prozent mehr Gehalt plus drei Einmalzahlungen von je 300 Euro für die rund 60 000 Angestellten der Stadt zu verhandeln.

Die erneuten Streikandrohungen ändern jedoch nichts an der harten Haltung des rot-roten Senats. Das Thema sei erledigt, alle Argumente seien ausgetauscht, sagte der Sprecher Wowereits. Ähnlich äußerte sich auch eine Sprecherin des Verhandlungsführers des Senats, Innensenator Ehrhart Körtings (SPD). »Der aktuelle Stand ist der von gestern, von vorgestern und von vergangener Woche.«

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