nd-aktuell.de / 25.10.2008 / Kultur / Seite 24

Unerklärliche Aufgabe

Carlos García Hernández, Schachlehrer

So wie schon in den Jahren 2004 und 2006 hat der 43-jährige englische Großmeister Nigel Short die diesjährigen Commonwealth-Meisterschaft gewonnen. Es nahmen fast 300 Kontrahenten aus Großbritannien und aus den ehemaligen Englischen Kolonien teil. Der Favorit mit der höchsten ELO-Zahl des Turniers, Nigel Short, spielte anfangs nur schwach. Er schaffte allerdings den Gesamtsieg, weil er die letzten sechs Runden in Folge für sich entscheiden konnte. Heute stellen wir seine letzte Partie vor. Sein Gegner war der 20-jährige indische Internationale Meister Arun Prasad. Hätte der junge Inder seine letzte Partie gegen Short gewonnen, hätte sogar er noch Chancen auf den Gesamtsieg gehabt. Prasad lag im Vorteil und hätte im 26. Zug die Partie für sich entscheiden können – doch gab er drei Züge später unerklärlicherweise auf. Als ich die Partie das erste Mal sah, dachte ich, dass es sich um einen Fehler in der Notierung handeln müsse, denn es gab keinerlei Grund für seine vorzeitige Aufgabe im 29. Zug.

Arun Prasad, S (ELO: 2530) - Short, Nigel (2655) [E13-Damenindische Verteidigung]. Commonwealth Meisterschaft 2008; Nagpur (Indien) 06.10.2008 (11. Runde)

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.Sf3 b6 5.Lg5 Lb7 6.Sd2 h6 7.Lh4 De7 8.Dc2 c5 9.d5 d6 10.0–0–0 exd5 11.cxd5 Sbd7 12.e4! Die Kontrolle des Zentrums und die grössere Aktivität der Läufer setzen Weiß in Vorteil 12...a6 13.Sc4 b5 14.Se3 g6 15.Le2 Kf8?! Short hat die Rochade definitiv verpasst. Er hätte die Stellung stabilisieren können nach [15...0–0 16.Sg4 Lxc3 17.bxc3 b4 18.f4 (18.Sxh6+ Kg7 19.Sg4 Dxe4=) ] 16.The1 Te8 17.f3 Dd8 18.g4 c4 19.Kb1 Lc5 20.Lf1?! Die Kontrolle der Türme auf der ersten Reihe war wichtig. Besser gewesen wäre [20.Lf2 Da5 21.h4] 20...Lc8 21.h3 Se5 22.Lg2 Sd3 23.Txd3! Es sieht so aus als ob Weiß noch auf Gewinn spielt. Das Qualitätsopfer ist besser als [23.Te2 Sf4 24.Tee1] 23...cxd3 24.Dxd3 g5 25.Lg3 Sd7 26.f4?! Die Variante [26.b4 Lxe3 27.Lxd6+ Kg7 28.Dxe3] wäre wahrscheinlich das Ende für Short gewesen 26...gxf4 27.Lxf4 Se5 28.Df1?! Weiß versteckt seine Dame; die Stellung ist danach wahrscheinlich ausgeglichen. Weiss wäre noch im Vorteil nach [28.Dd2] 28...Ld7 29.Sf5 b4 Im Diagramm. Unerklärlich Aufgabe. Nach 30.Se2 Lxf5 31.Lxe5 Txe5 32.exf5 steht Short vielleicht ein bisschen besser, aber alles wäre noch drin gewesen 0–1