Scharfe Strafe bei Abtreibung

Internationaler Kongress zum Thema Schwangerschaftsabbruch

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Vereinigung von Fachkräften und Verbänden zu Schwangerschaftsabbruch und Kontrazeption (FIAPAC) führt am 24. und 25. Oktober in Berlin ihren 8. Internationalen Kongress durch. Da nur in wenigen Ländern eine kontinuierliche Fortbildung in diesem Bereich angeboten wird, haben sich für die diesjährige Veranstaltung mehr Teilnehmer angemeldet als Plätze zur Verfügung stehen.

Zwar gibt es medizinische Fortschritte zu verzeichnen, wie etwa die Möglichkeit, Abtreibungen schmerzärmer durchzuführen, oder neue Entwicklungen über die »Pille danach«. Doch neben diesen erfreulichen Themen muss sich der Kongress auch in diesem Jahr wieder mit diversen gesellschaftlichen Widerständen gegen Abtreibung und Verhütung auseinandersetzen. Sorgen bereiten dabei weniger die selbsternannten Lebensschützer, die auch für Berlin eine Gegendemonstration angemeldet haben, sondern die geringe Wertschätzung der schwangeren Frauen in den meisten Ländern der Welt.

Pflichtberatung ist Zwang

Vernachlässigt wird die Betreuung von Frauen mit einer ungewollten Schwangerschaft aus der Sicht von Christian Fiala, Arzt in Wien und FIAPAC-Vorsitzender, nicht durch die medizinischen Fachkräfte, sondern durch die gesellschaftlichen Systeme in zahlreichen Ländern. Aus seiner Sicht stellen auch die sogenannte Pflichtberatung der abtreibungswilligen Frauen in Deutschland und die vorgeschriebene Wartezeit zwischen diesem Gespräch und dem nachfolgenden Eingriff eine nicht gerechtfertigte und unwirksame staatliche Zwangsmaßnahme dar.

Reisen für die Abtreibung

Immerhin werden 97 Prozent der Abbrüche in Deutschland nach der Beratungsregelung vorgenommen. Fiala weist darauf hin, dass es auch Frauen gibt, die aus Deutschland zur Abtreibung in die Niederlande oder nach Österreich reisen, weil sie keine Beratung der vorgeschriebenen Art wollen.

Laut Fiala standen vor allem in Diktaturen und kriegführenden Ländern Abtreibungsversuche unter schärfster Strafe. In Europa unterliegen sie heute vor allem in Irland, Polen und Malta massiven gesetzlichen Restriktionen. Entsprechend entwickelt ist der darauf aufbauende »Tourismus«, der Frauen aus diesen Staaten zur Lösung ihrer Probleme in Staaten mit liberaleren Regelungen reisen lässt. Allein 7000 irische Frauen suchen jedes Jahre in England Hilfe, etwa 800 deutsche Frauen fahren in die Niederlande, häufig nach der 12. Schwangerschaftswoche.

Problematisch stellt sich die Situation in den Entwicklungsländern dar, die in der Regel Abtreibungsverbote aus der kolonialen Gesetzgebung übernahmen. Besonders katastrophale Folgen habe das laut dem FIAPAC-Vorsitzenden in Afrika. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO finden 97 Prozent aller unsicheren Abbrüche in Entwicklungsländern statt. Es wird geschätzt, dass 2004 etwa 70 000 Frauen infolge illegaler Schwangerschaftsabbrüche gestorben sind.

Keine Geburtensteigerung

Nachweisbar ist ein direkter Zusammenhang zwischen einer fortschrittlichen Verhütungserziehung und einer niedrigen Rate der Schwangerschaftsabbrüche. Beispielhaft können hier die Niederlande genannt werden: Dort führten wirkungsvolle Sexualerziehung, Kontrazeptiva auf Krankenschein und regelmäßige Kampagnen über die Verhütung zu einer der niedrigsten Abbruchraten der Welt. Allerdings stieg dieser Wert wieder leicht an, nachdem niederländische Krankenkassen Verhütungsmittel junger Frauen nicht mehr bezahlten und diese auf preisgünstigere, aber weniger sichere Methoden zurückgriffen.

Umgekehrt beeinflusst ein Abtreibungsverbot die Geburtenrate keineswegs positiv: Sie sank in Polen auch nach dieser gesetzlichen Maßnahme 1993 langsam, aber kontinuierlich weiter. Während sie 1990 noch bei 2,3 Kindern pro Frau lag, war das Land 2007 mit 1,2 Kindern pro Frau EU-Schlusslicht.

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