Die Mühen der Landtagsebene

Fraktionslose Abgeordnete Wegner kämpft in Niedersachsens Parlament allein auf weiter Flur

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Christel Wegner, DKP-Mitglied und ursprünglich auf der Linkspartei-Liste in den niedersächsischen Landtag gelangt, ist bundesweit bekannt. Grund waren Äußerungen über Geheimdienste im Sozialismus, die zu Schlagzeilen und Distanzierung führten. Jetzt arbeitet sie weitgehend unbeachtet.

Was gibt es denn da noch zu lachen? Von den anderen Abgeordneten und von Journalisten wird Christel Wegner weitgehend gemieden, ihr Rederecht im Parlament ist eingeschränkt, und im Ausschuss darf sie nicht einmal mit abstimmen. Leicht hat es die fraktionslose Abgeordnete Christel Wegner also nicht als Einzelkämpferin im Landtag. Und doch wirkt sie gut gelaunt. Aufgeben ist für die DKP-Frau, die kurz nach der Landtagswahl von der Linksfraktion ausgeschlossen wurde und wegen missverständlicher »Stasi«- Äußerungen bundesweit in die Kritik geriet, jedenfalls kein Thema. Leider hätten die Kollegen der Linken auch nach dem einstimmig erfolgten Rauswurf ihren Abgrenzungskurs beibehalten, bedauert Wegner. Der Umgang mit den meisten ehemaligen Fraktionskollegen sei zwar mittlerweile etwas entspannter, aber inhaltlich gebe es »keinerlei Zusammenarbeit«.

Erst recht gilt das natürlich für die anderen Fraktionen. Immerhin erfährt Wegner auch von dort keine persönliche Feindschaft. Dass vor allem die Vertreter der Regierungsfraktionen CDU und FDP im Plenum oder öffentlichen Stellungnahmen »ihre antikommunistischen Tiraden loslassen«, verbucht sie als politisches Geschäft: »Das ist doch vor allem nach außen gerichtet.«

Schwerer wiegen da schon die formalen Einschränkungen, denen Wegner unterliegt. So hat die Regierung eine Antwort auf ihre Anfrage zum Pannen-Atommülllager Asse seit Juli mehrfach verschoben und nun für Ende November in Aussicht gestellt. Der Ältestenrat des Landtags habe ihr pro Sitzungswoche nur eine Minute Rederecht zugestanden, im Sozialausschuss darf sie als Fraktionslose zwar mitdiskutieren, aber nicht mit abstimmen. Mit den finanziellen Zuwendungen durch das Parlament kann Wegner einen Mitarbeiter beschäftigen, zudem gibt es eine steuerfreie Pauschale für Bürokosten. Fraktionsgelder erhält sie gemäß den Statuten ebenso wenig wie Mittel für wissenschaftliche Mitarbeiter.

Fällt auch deshalb ihre Kritik am parlamentarischen Gebaren so heftig aus? »Das ist ein Debattierklub, das erinnert mich teilweise an einen Kindergarten«, sagt sie. Gleichzeitig prangert sie ein Ritual an, das sie eigentlich seit dem Feudalismus als überwunden wähnte: »Dass man sich bedankt, wenn man das Wort erhält.«

In den Medien ist Christel Wegner kaum präsent. Schnelles Reagieren sei aufgrund der eingeschränkten personellen und materiellen Möglichkeiten oft gar nicht möglich. Dass ihr Rederecht beschnitten wurde, habe die Möglichkeiten, wahrgenommen zu werden, weiter begrenzt. Wegner weiß aber, dass ihre Statements und Pressemitteilungen auch aus politischen Gründen nicht aufgegriffen werden. Im Übrigen sei sie »nach diesen Panorama-Erfahrungen« mit Äußerungen sehr vorsichtig geworden. Wegner besteht darauf, in dem fraglichen Fernseh-Interview »nicht einmal das Wort ›Stasi‹ in den Mund genommen« zu haben.

Ihre Aussagen zur Staatssicherheit seien zusammengeschnitten worden, das hat später auch das Justiziariat des NDR bestätigt. Die Bänder mit den nicht gesendeten Passagen des Gesprächs wollte der Sender aber nicht herausrücken. Für ihre zukünftige Arbeit setzt Wegner mehr auf »Rückkopplung« mit der Basis. In ihrem Wahlkreis will sie Wählerveranstaltungen einberufen, und etwas abstrakt redet sie von »Verbindung zwischen Mandat und kommunaler Ebene«.

Doch auch das klappt nicht reibungslos. In ihrer Heimatstadt Buchholz weigerte sich das örtliche Krankenhaus, Wegner am 25. September mit zur Groß-Demo der Klinikbeschäftigten nach Berlin zu nehmen. Dabei hätte die Abgeordnete die Fahrtkosten auch selbst getragen. »Ich wollte die Reise nutzen um mit den Beschäftigten meiner alten Arbeitsstätte ins Gespräch zu kommen«, sagt Wegner, die von 1968 bis 1992 und von 1994 bis 2002 im Krankenhaus Buchholz arbeitete. »Ja, ich habe im Landtag eine isolierte Position«, zieht Christel Wegner ein Fazit. Frust statt Lust also? Nein, sagt Wegner, davon könne trotz aller Widrigkeiten keine Rede sein. Tauschen mit den Kollegen der Linksfraktion will sie jedenfalls nicht. Die seien so beschäftigt, »dass ich da fast ein entspanntes Leben habe«.

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