Als Pfarrer gegen Pro Reli?

Martin Lotz lehnt ein Wahlpflichtfach Religion in Berlin ab / Der Berliner Pfarrer Martin Lotz war u.a. persönlicher Referent des Bundespräsidenten Gustav Heinemann

  • Lesedauer: 3 Min.

ND: Sie haben sich als Pfarrer, der im Ruhestand lebt, an die Öffentlichkeit gewandt und mit einem Offenen Brief gegen das Volksbegehren Pro Reli protestiert. Warum?
Lotz: Weil ich denke, der Offene Brief wird nicht nur vom Adressaten – dem protestantischen Bischof Wolfgang Huber – gelesen und vielleicht zur Seite, in den Papierkorb, getan, sondern es können ihn andere in den Zeitungen lesen. Die Wirkung ist viel größer.

Haben Sie versucht, direkt mit Bischof Huber zu sprechen?
Ich habe ihm vor ungefähr drei Wochen geschrieben und ihn zu einer Diskussion gebeten. Aber es ist keine Antwort gekommen.

Was hätten Sie gerne debattiert? Als Pfarrer, so könnte man erwarten, müssten Sie doch das Volksbegehren unterstützen.
Ich kritisiere das Volksbegehren, weil ich meine, dass im Ethikunterricht alle Schüler einer Klassengemeinschaft gemeinsam unterrichtet werden. Im Religionsunterricht werden sie dagegen separiert nach Muslimen, nach Protestanten, nach Katholiken usw. Das trägt nicht zur Integration bei.

Was trägt denn dazu bei?
Es gibt sehr viele junge Muslime. Und wenn die von der 1. bis zur 13. Klasse in der Schule nur muslimischen Unterricht haben, dann haben sie gar keine Chance, mit unserer Tradition des Protestantismus oder des Humanismus oder des Atheismus in Berührung zu kommen.

Das Volksbegehren Pro Reli wird zwar auch von einer muslimischen Dachorganisation unterstützt, die Hauptinitiatoren sind doch aber die großen christlichen Konfessionen.
Das liegt am finanziellen Hintergrund. Die Kirchen haben Religionslehrer, und die müssen bezahlt werden. Zu 90 Prozent werden die zwar vom Senat bezahlt, der Rest aber von der Kirche. Und wenn Sie keine Arbeit mehr haben, was macht man mit Ihnen?

Das Pflichtfach Ethik macht Religionslehrer arbeitslos?
Als Schüler würde ich auch nicht noch ein Zusatzfach Religion belegen, das Ethik ähnlich ist. Und dann hat der Lehrer eine Handvoll Schüler. Aber erst ab einer bestimmten Zahl von Schülern zahlt der Senat. Der Lehrer muss diese Anzahl Schüler zusammenkratzen aus verschiedenen Klassen. Daraus resultiert das materielle Problem.

Sie waren früher persönlicher Referent beim Bundespräsidenten Gustav Heinemann, der auch EKD-Präsident war. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dieser Tätigkeit und Ihrer Kritik an Pro Reli?
Soweit ich mich persönlich an Heinemann erinnere, war er immer für die Trennung von Staat und Kirche. Bis dahin, dass Kirchensteuer nicht über den Staat eingezogen werden soll. Das hat er natürlich ohne Erfolg betrieben, dennoch war ihm das äußerst wichtig: Und dass es in der Schule, im Staat weltanschaulich neutral zugehen sollte und Verkündigung, Mission und dergleichen in den Gemeinden stattzufinden hat.

Die Trennung bleibt notwendig?
In Bezug auf den Religionsunterricht ja. Der ist nämlich ein missionarischer, ein verkündender Unterricht. Ein Unterricht, wo man Menschen zu einem bestimmten Glauben erziehen möchte. Das ist im Sinne von Freiheit nicht sinnvoll. Jeder Schüler sollte vorgelegt bekommen, welche Religionen, welche Weltanschauungen es gibt, damit er sich dann selber frei entscheiden kann. Ein staatlich bezahlter Religions- und Missionsunterricht dagegen ist eine Unmöglichkeit.

Fragen: Martin Kröger

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