Milde Strafe für geistigen Brandstifter

Berliner NPD-Chef muss Geldbuße zahlen / Staatsanwaltschaft hatte Haftstrafe gefordert

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Berliner Landesvorsitzende der rechtsextremen NPD, Jörg Hähnel, wurde gestern wegen »öffentlicher Billigung von Straftaten« zu einer Geldstrafe von 4500 Euro verurteilt.
NPD-Mann Hähnel in der BVV Berlin-Lichtenberg.
NPD-Mann Hähnel in der BVV Berlin-Lichtenberg.

Hintergrund des Verfahrens ist eine Provokation, die die Neonazis am 13. Dezember 2007 in der Bezirksverordnetenversammlung des Berliner Stadtbezirks Lichtenberg losgetreten hatten. Hähnel, der für die Rechten im Bezirksparlament sitzt, hatte dort einen Antrag unter dem Titel »Waldemar-Pabst-Platz als Zeichen der wahren Demokratie« eingebracht. Darin verkündete er das Ansinnen, den Anton-Saefkow-Platz mit dem Namen des Mörders von Rosa Luxemburg zu beschmutzen. In Berlin hatte die Provokation zu einer Welle des Protestes geführt. Nach eingehender Prüfung der Details entschloss sich Stadträtin Katrin Framke (parteilos, für Linkspartei) zur Strafanzeige. Aus der Anzeige wurde ein staatsanwaltschaftlicher Strafbefehl. Da Hähnel diesen zurückwies, wurde der Fall vor dem Amtsgericht verhandelt.

Der Neonaziaktivist, der in der Freizeit gern mit Gitarre unterwegs ist, war in Begleitung seines nationalistischen Anwalts Wolfram Nahrath erschienen und trug demonstrative Gelassenheit zur Schau. Im Gerichtssaal konnte er nun das verwirklichen, was ihm durch die Proteste in der Bezirksverordnetenversammlung verwehrt blieb: sein provokatorisches Pamphlet ohne Unterbrechung vorzutragen. Mehr wollte er nicht sagen, den Rest überließ er seinem Anwalt und genoss die Deutungen seiner Aussagen sichtlich.

Nahrath unternahm zunächst den Versuch, die als Zeugin aufgerufene Katrin Framke mit einer ausgesprochen abenteuerlichen Konstruktion von Geschichtsfälschung ins Wanken zu bringen. Er befragte sie zu den Geschehnissen des 15. Januar 1919 – woher sie denn wisse, dass Rosa Luxemburg tatsächlich an jenem Tag ermordet worden sei. Belegt sei, dass Rosa Luxemburg im Auftrage von Waldemar Pabst am 15. Januar festgenommen worden sei. Um diesen Tag als den Tag der Festnahme sei es bei Hähnel gegangen und nicht um eine Bluttat. Framke hielt ihm ein spätes Geständnis von Pabst entgegen. Der Anwalt ließ nicht locker. Es sei überhaupt nicht klar, ob es sich bei der Tötung von Rosa Luxemburg um einen Mord oder um einen Totschlag gehandelt habe. Framke ließ sich nicht beirren und verwies auf die von Hähnel vorgetragene Rede. Um die gehe es in diesem Verfahren und die erfülle eindeutig den Straftatbestand der öffentlichen Billigung der Ermordung von Rosa Luxemburg.

Die Staatsanwältin sah in ihrem Plädoyer die Tatvorwürfe in vollem Umfang bestätigt. Der Provokationsantrag der NPD und die Begründung Hähnels habe sich eindeutig auf die Tötung von Rosa Luxemburg bezogen. Solche Äußerungen würden die »hinzunehmende Form der Provokation« überschreiten und seien deshalb nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Der Strafbefehl sei ein »Friedensangebot« gewesen, das der Angeklagte ausgeschlagen habe. Wegen seiner Vorstrafen – Sachbeschädigung, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, versuchte Gefangenenbefreiung und gemeinschaftlicher Diebstahl – sei eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die zur Bewährung auszusetzen sei, angemessen. Außerdem sollte nach ihrem Willen eine Geldstrafe von 500 Euro verhängt werden.

NPD-Anwalt Nahrath holte noch einmal zum Schlag aus. Die »entschlossene Tat« des Waldemar Pabst habe ein bolschewistisches Unrechtssystem verhindert, den Kommunisten sei damit das Wasser abgegraben worden. Ohne die Ereignisse des 15. Januar 1919 wäre die Liquidierung der deutschen und europäischen Elite durch eine kommunistische Diktatur möglich gewesen. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, so der nationalistische Jurist, wären auch heute Verfassungsfeinde. Da Hähnel den 15. Januar als Tag der Verhaftung von Luxemburg gemeint habe, ein Mord an diesem Tage nicht bewiesen sei, könne sein Mandant auch nicht wegen Billigung einer Straftat verurteilt werden.

Der Antrag der NPD in der Bezirksverordnetenversammlung sei eine »reine Provokation« gewesen, bewertete die Richterin das Ansinnen der Neonazis. Würden solche Taten gebilligt, könnte durchaus eine Stimmung erzeugt werden, wonach es legitim sei, politisch Andersdenkende aus dem Weg zu räumen. Dieser Satz wurde auch durch die Atmosphäre vor dem Gerichtssaal bestätigt, wo sich die beiden halbglatzigen Leibwächter von Jörg Hähnel als Provokateure betätigten. Und man bekam eine leise Ahnung davon, was alles geschehen könnte, wenn diese Leute über Einfluss verfügten.

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