nd-aktuell.de / 27.10.2008 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 10

Bio gegen Hunger

Herbsttagung des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft

Jutta Blume
923 Millionen Menschen auf der Erde leiden Hunger. Angesichts dieser dramatischen Zahl stellte der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) auf seiner Herbsttagung am Donnerstag in Berlin die Frage: »Kann Bio die Welt ernähren?«

Als Lösung für das Welthungerproblem würde immer wieder eine Erhöhung der Erträge durch mehr Düngemittel und Pestizide sowie durch gentechnisch veränderte Pflanzen propagiert, so der BÖLW-Vorsitzende Felix Prinz zu Löwenstein. Und: »Im selben Atemzug wird vor dem Ökolandbau gewarnt.« Dieser brauche mit seiner extensiven Wirtschaftsweise zu viel Fläche und trage somit zur Vernichtung von Urwäldern und Naturschutzgebieten bei.

Hans Herren, zweiter Vorsitzender des Weltagrarrates (IAASTD) sieht gar keine vernünftige Alternative zum ökologischen Landbau. Schon in seinem im April erschienenen Weltlandwirtschaftsbericht hatte der IAASTD erklärt, dass der Nahrungsmittelanbau radikal verändert werden müsse, wenn Armut und Hunger bei gleichzeitigem Klimawandel und einer wachsenden Weltbevölkerung reduziert werden sollen. Zwar hätte die »Grüne Revolution« in der Vergangenheit enorme Produktivitätssteigerungen gebracht, der Nutzen daraus sei aber ungleich verteilt worden. Mittlerweile seien nun weltweit die Kosten der intensiven Landwirtschaft zu spüren: »Wir haben die Böden zerstört, wir verbrauchen immer mehr Wasser, und wir haben die biologische Vielfalt sehr stark reduziert.« Die industrielle Landwirtschaft sei auch keineswegs effizient, sie verbrauche zehn Mal mehr Kalorien als sie produziert. Der Weltagrarbericht richtet sein Augenmerk bewusst auf die Kleinbauern und fordert, dass diese nicht nur für ihre Produkte, sondern auch für »Ökosystemdienstleistungen«, etwa den Erhalt von Böden und Wasserhaushalt, bezahlt würden. Biotechnologische Forschung sei jedoch auch für den Ökolandbau wichtig.

Johannes Kotschi vom Verein Agrecol wies darauf hin, dass auch die konventionelle Landwirtschaft nicht in der Lage sei, die Welt zu ernähren. Die ökologische Landwirtschaft habe hingegen eine Pionierfunktion bei der optimalen Ressourcennutzung. In Ländern des Südens wüchse die Zahl ökologischer Initiativen auch aus wirtschaftlichen Gründen. Steigende Kosten für Mineraldünger und Pestizide in der industriellen Landwirtschaft stünden gleichbleibenden Erträgen gegenüber und machten diese damit unattraktiver. Biologische Erosionsschutzmaßnahmen wie das Pflanzen von Hecken lieferten außerdem Feuerholz. »Aber auch die ökologische Landwirtschaft ist nicht so nachhaltig, wie sie sein sollte«, meint Kotschi. Forschung und Entwicklung zu Themen wie Nährstoff- und Energieeffizienz müssten ausgeweitet werden. Außerdem wären langfristige Züchtungsprogramme nötig, um die biologische Vielfalt zu erhalten und eine Anpassung an den Klimawandel zu erreichen.

Kotschi kritisierte aber auch den internationalen Biohandel. »Der Markt wächst zwar deutlich, aber die zertifizierte Landwirtschaft schließt Kleinbauern des Südens weiter vom Markt aus.« Die Richtlinien sollten daher regional angepasst werden. Oft seien den Kleinbauern auch Vermarktungswege nicht bekannt oder die Zertifizierung sei zu teuer.