George Osborne, der Oligarch und die Krise

Finanzsprecher der Konservativen beim Lügen ertappt / Kurze Atempause für Labour-Regierung

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Premier Gordon Brown und Notenbankchef Mervyn King geben zu: Britannien befindet sich in einer Rezession. Dazu kommen tragische Todesfälle in Afghanistan und die unmissverständliche Forderung der irakischen Regierung, London möge seine Truppen aus dem Lande abziehen. Dennoch lächelt Brown plötzlich und putzt den Oppositionsführer herunter. Der Tory-Vorsprung in den Umfragen schmilzt. Wieso?

Der sonst so bedächtige Pastorensohn aus Downing Street Nr. 10 wuchs in der Krise über sich hinaus und schnürte schnell ein Rettungspaket, das auf eine Teilverstaatlichung dreier angeschlagener Banken hinauslief. Wichtig waren nicht die Einzelheiten der Feuerwehraktion oder des Ausgabenfüllhorns, das Finanzminister Alistair Darling übers Volk ausgießen will. Entscheidend ist vorerst, dass einer oben steht und handelt, während andere herumstehen und meckern. Letztere werden vom Konservativenchef David Cameron angeführt, der mit der Wirtschaftspolitik der Regierung hart ins Gericht geht. Rechte Journalisten monierten jedoch, der 37-jährige Tory-Finanzsprecher George Osborne glänze in der Krise durch Abwesenheit, statt selbst die Stimme zu erheben. Aber Osborne stänkerte lediglich hinter den Kulissen gegen Labours neuen Wirtschaftsminister Peter Mandelson: Dieser habe beim Urlaub auf der Insel Korfu mit dem Oligarchen Oleg Deripaska gespeist, dem ein Großteil der russischen Aluminiumindustrie gehört. Das schicke sich nicht für den vormaligen EU-Handelskommissar.

Osborne wusste von dem Treffen, weil auch er bei dem Russen aus und ein ging. Hatte das pausbäckige Glückskind plötzlich Appetit auf Kaviar und Krimsekt, als er die Luxusjacht des reichsten Russen bestieg? Und warum nahm er seinen Freund Andrew Feldman mit, den wichtigsten Geldeintreiber der Tories?

Nathaniel Rothschild, reicher Hedgefonds-Manager und wie Osborne und Cameron zu Studentenzeiten Mitglied des aristokratischen Rüpelvereins Bullingdon Club, hatte aufgepasst. Als Osborne den Mandelson-Besuch bei Deripaska publik werden ließ, ohne aufs eigene Essen mit dem Russen hinzuweisen, wurde es dessen Oxford-Kumpan zu bunt. Rothschild erzählte die Geschichte am 21. Oktober in einem Leserbrief an die »Times«. Zum Zweck des Osborne-Besuches stellte Rothschild fest: Er wollte eine Spende für seine Partei. Da Deripaska kein britischer Staatsbürger ist und daher keine müde Kopeke spenden darf, sollte er das Geld über eine seiner in England tätigen Firmen leiten. Im Vergleich zu diesem Ersuchen sei Mandelsons Mahlzeit bei Deripaska unerheblich, Osborne hätte lieber den Mund halten sollen, meinte Rothschild.

Wie vorauszusehen, leugnet Osborne, Spenden geworben – was wohl stimmt – oder auch nur die Absicht zu solchem Tun gehegt zu haben. Dass er jedoch die Möglichkeit, Geld beim Oligarchen zu schnorren, mit Feldman und Rothschild besprochen hatte, scheint festzustehen, Warum sonst auch schleppte er Feldman zum Essen mit? Laut »Times« gibt es zwei weitere Zeugen des Gesprächs, die Rothschilds Version bestätigen und Osborne als Lügner entlarven.

Im Parlament schlachtete Labour den Skandal aus. Das linke Urgestein Denis Skinner warnte ironisch, wer Oligarchen besuche, sei auf dem falschen Dampfer. Brown tat besorgt (»Eine sehr ernste Angelegenheit, die hoffentlich von den zuständigen Behörden untersucht wird.«). Cameron schnaubte wütend, Osborne wand sich gequält.

Man mag dies für einen läppischen Schlagabtausch halten. Wer kurz davor steht, wegen Überschuldung sein Haus zu verlieren, kümmert sich wenig um die Eskapaden des Schattenfinanzministers. Doch die verlegen schweigenden Tory-Abgeordneten zeigten sich mit Camerons wichtigstem Mann alles andere als solidarisch. Und Lord Norman Tebbit, Margaret Thatchers früherer Arbeitsminister, war mit einem wenig schmeichelhaften Vergleich zur Hand: Wer mit Hunden schlafe, bekomme Flöhe.

Womöglich ist an der Schnorrer-Geschichte wenig dran. Die Konservativen schwimmen in Geld, warum sollten sie das Risiko eingehen, einen verdächtigen Ausländer anzupumpen? Doch die vorangegangene Diskussion zeigt Osbornes Naivität. Und dass der Jungspund die Geschichte gegen Mandelson ausschlachten wollte, schlägt dem Fass den Boden aus. Bisher wollten Cameron und Osborne auf leisen Sohlen an die Macht schleichen. Nach »Jachtgate« aber passen ein paar Wähler mehr auf die Schattenregierung auf.

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