Proteststurm der Berlusconi-Gegner

Motto: »Ein anderes Italien ist möglich«

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Zum ersten Mal, seit Silvio Berlusconi und seine rechte Regierung in Italien im Amt sind, hatte die Demokratische Partei, die stärkste Oppositionskraft im Parlament, zu einer großen Protestkundgebung aufgerufen. Das Motto: »Ein anderes Italien ist möglich.«

Rom hat schon viele große Protestkundgebungen gesehen, aber die vom Sonnabend war sicherlich eine der eindrucksvollsten. Hunderttausende, vielleicht Millionen Menschen waren in die Hauptstadt gekommen, um zu sagen, dass Berlusconi und seine faschistoiden und rassistischen Verbündeten Italien Unrecht tun. »Italien ist besser als diese Rechte«, sagte der Vorsitzende der Demokratischen Partei, Walter Veltroni, auf dem Höhepunkt der Kundgebung vor einer schier unendlichen Menschenmenge. Vor ihm hatten eine Lehrerin, eine Jungunternehmerin, ein Arbeiter, ein junger Mann mit prekärem Arbeitsverhältnis und ein Afrikaner gesprochen. Damit wollte die Demokratische Partei ausdrücken, dass die Opposition gegen die Regierung und ihre Politik weit über eine einzelne Partei hinausgeht. Tatsächlich hatte sich der ehemalige Richter Antonio di Pietro mit seiner Partei »Italia die Valori« (Italien der Werte) angeschlossen, ebenso wie die Grünen und die Sozialisten, die nicht mehr im Parlament sitzen. Nicht anwesend – allerdings aus unterschiedlichen Gründen – waren die Christdemokraten, die Kundgebungen nicht für eine geeignete Ausdrucksform der Opposition halten, und die kommunistische Linke, die sich mit den Inhalten der Demonstration nicht anfreunden konnte und bereits am 11. Oktober zu einer Großkundgebung aufgerufen hatte. Walter Veltroni erklärte auch gleich, in welche Richtung seine Opposition geht: »Dies ist die größte reformistische Kundgebung, die Italien je gesehen hat«, sagte er auf dem Rednerpodest im Circo Massimo, der einst die Wagenrennen im alten Rom gesehen hatte.

Die Demonstranten waren aus allen Landesteilen gekommen. Mit ungezählten Bussen, 20 Sonderzügen und sogar mit zwei Schiffen aus Sardinien. Es waren ganze Familien, ältere Menschen und sogar eine Delegation von ehemaligen Partisanen, die im Zweiten Weltkrieg gegen die Faschisten gekämpft hatten. Aber vor allem fielen in den zwei Demonstrationszügen, die ganz Rom durchquerten, ganz viele junge Menschen auf. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass Italien derzeit von einer großen Protestbewegung von Schülern und Studenten erfasst wird, die sich gegen die Bildungspolitik der Regierung wehren. Denn während die Regierung einen Geldsegen für krisengeschüttelte Unternehmen (wohlgemerkt: die Unternehmen, nicht die Banken) beschließt, werden im Schul- und Universitätsbereich Mittel in Höhe von insgesamt fast 10 Milliarden Euro gestrichen. Für das Bildungssystem – darin sind sich auch die Lehrer und Dozenten einig – ist das ein Schlag, den man ohne starken Qualitätsverlust nicht wegstecken kann. Und nicht nur das: Das Parlament hat auch einen Antrag angenommen, der die Einrichtung von Sonderklassen für nichtitalienische Schüler vorsieht: »Wir sind entsetzt«, rief Veltroni einer applaudierenden Menschenmasse zu. »Dies ist das erste Rassendiskriminierungsgesetz, das in Italien nach dem Fall des Faschismus verabschiedet wird.«

Silvio Berlusconi, der am ASEM-Gipfel in China teilnahm, zeigte sich angesichts der Demonstration ergrimmt. Die Linke sei verlogen, undemokratisch, extremistisch und unpatriotisch, erklärte er auf Pressekonferenzen, die er im Stundentakt in Peking einberief. In so einem schwierigen Moment für die Nation müsse man doch zusammenhalten und zusammenarbeiten – wobei er allerdings unterschlug, dass gerade er in den letzten Wochen der Opposition immer wieder jegliche Legitimation abgesprochen hatte.

Für viele Menschen in Italien, egal ob sie in Rom demonstrierten oder nicht, war die Kundgebung im Circo Massimo eine Art Befreiungsschlag. Sie hatten das Gefühl, mit ihrer Verzweiflung angesichts der verheerenden Lage im Land endlich auch im Parlament wieder einen Ansprechpartner gefunden zu haben. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, wie weit diese Hoffnung berechtigt ist.

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