Debatte unter historischen Leuchten

Nordost-LINKE diskutierte ihr Geschichtsbild / Fraktionschef Methling will weitermachen

  • Velten Schäfer, Sternberg
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit neuen kommunalpolitischen Leitlinien will die LINKE im Nordosten bei den Kommunalwahlen 2009 Punkte machen. Doch befasste sich der Parteitag am Wochenende auch mit historischen Fragen – aus aktuellem Anlaß.

Im fensterlosen Tagungssaal des Sternberger Seehotels hängen zwei jener, an Weintrauben erinnernden Lampencluster wie einst im Palast der Republik. Unter den historischen Leuchten wollte die Nordost-LINKE am Samstag unter anderem eine Geschichts-Debatte führen. In Vorbereitung des Supergedenk- und -wahljahres 2009, wohl aber auch, um Verstimmungen auszutragen, die nach einem Interview des Spitzenmanns Helmut Holter im »Stern« entstanden waren. Um glaubwürdig zu sein, so hatte er geäußert, müsse die LINKE »das, was das SED-Regime ausgemacht hat, klar verurteilen: Terror, Mord, Repression.«

Starker Tobak für viele aus der älteren Generation mit SED-Vergangenheit, die nach wie vor einen guten Teil der Landespartei ausmacht. In seiner Rede unterstrich Holter denn auch den feinen Unterschied: »SED-Regime« heisst nicht »DDR«. Es sei ihm »nicht darum gegangen, die DDR zu delegitimieren oder zu verunglimpfen«. Für Holter ist die Auseinandersetzung mit der Geschichte vor allem auch ein individueller Vorgang, bei dem sich jeder über die eigene Rolle klar werden solle.

Dies tat etwa der Landtagsabgeordnete Torsten Koplin – der eine IM-Tätigkeit bekannt hat – in einer nachdenklichen Rede, in der er aus den Tagebüchern der an der DDR immer wieder verzweifelnden Schriftstellerin Brigitte Reimann zitierte. Der Kulturpolitiker der Fraktion setzte sich mit dem »Kampfbegriff Unrechtsstaat« auseinander: Zwar treffe es zu, dass die DDR immer wieder ihr eigenes Recht aus politischen Gründen gebeugt habe, doch lasse sich nicht sagen, ein Staat habe »zu Unrecht« existiert. Zudem habe die Enquete-Kommission des Landtags zur DDR-Geschichte den Ausdruck »Unrechtsstaat« ausdrücklich nicht verwendet, »das kann man auch mal nachlesen«.

Der Antrag zur Geschichtsdebatte, den der Parteitag dann verabschiedete, ist eher »offensiv« angelegt. Zwar wird eine »selbstkritische Analyse für das Scheitern des (...) Sozialismusversuches, insbesondere die Rolle der SED und der von ihr geführten Nationalen Front« gefordert. Andererseits soll »aus der Vergangenheit lernen« lediglich heißen, »Errungenschaften und positive Erfahrungen der DDR und der BRD zu verteidigen, Fehlentwicklungen (...) zu benennen und Alternativen aufzuzeigen«. In Auseinandersetzungen des kommenden Jahres, schlägt die Antragsbegründung vor, sei auf die Offenheit des Grundgesetzes für einen »demokratischen Sozialismus« hinzuweisen – und angesichts der Finanzkrise auf die Vorteile politischer Regulation.

In der Gegenwart hat sich die Partei vorerst nur auf einen Wechsel an der Spitze einzustellen. Wie erwartet kündigte Landeschef Peter Ritter seinen Rückzug für das kommende Jahr an und schlug seinen Vize Steffen Bockhahn, Fraktionschef in Rostock, als Nachfolger vor. Dass bereits ein Name fiel, scheint einige verägert zu haben; demnach gab es einen Initiativantrag, der die Partei auffordert, für alle im nächsten Jahr zu besetzenden Ämter und Gremien Kandidaten zu suchen. Die andere Personalfrage, über die im Vorfeld spekuliert worden war, stellt sich vorerst indes nicht: Fraktionschef Wolfgang Methling kündigte eine erneute Kandidatur an. Über anonym und »offenbar aus dem Umfeld der Fraktion« geäußerte Kritik an seiner Oppositionsführung zeigte sich Methling verärgert; es sei der größten Oppositionsfraktion gelungen, auch ohne Regierungsverantwortung politische »Langzeitwirkung« zu erzielen. Bei der Mindestlohnforderung, bei einem Tariftreuegesetz, bei kostenfreier Kita- und Schulverpflegung habe die SPD Themen der LINKEN aufgegriffen. Bei den Landtagswahlen 2011, so Methling, »brauchen wir eine stabile linke Mehrheit«.

Doch zunächst stehen 2009 Kommunalwahlen an, bei denen sich die LINKE – schon jetzt zweitstärkste Kraft in den Stadt- und Kreisräten – einiges ausrechnen kann. Zumal sich in wichtigen Fragen der Zeitgeist derzeit nach links bewegt. So dürfte sich das Bekenntnis der neuen »Kommunalpolitischen Leitlinien« zu einem »starken kommunalen Eigentum«, das die Partei zuletzt in lokalen Initiativen verfochten hat, als sehr kampagnenfähig erweisen – auch wenn ein Antrag der Parteilinken, einen weiteren Stellenabbau im öffentlichen Dienst auszuschließen, abgelehnt wurde. Weiterhin will die Partei mit der Forderung nach mehr Bürgerbeteiligung, nach Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe und nach einer möglichst großzügigen »Auslegung von Leistungsgesetzen« auf kommunaler Ebene in den Kampf ziehen.

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