Zähne zusammengebissen

Vor 40 Jahren boxte sich Champion-Trainer Manfred Wolke zu Olympiagold

  • Lesedauer: 3 Min.
Am gestrigen Sonntag feierte Boxtrainer Manfred Wolke (65) ein besonderes Jubiläum. Exakt vor 40 Jahren erkämpfte er sich in Mexiko-Stadt Olympiagold im Weltergewicht. Gestern musste er nun die Bilanz des verlorenen WM-Kampfes seines Schützlings Danilo Häussler ziehen, doch im ND-Interview blickte er auch auf die letzten vier Jahrzehnte.

ND: Haben Sie an das Jubiläum Ihres olympischen Goldkampfes vor 40 Jahren gedacht?

Manfred Wolke: Daran gedacht habe ich kurz. Ich hätte mir schon eine erfreulichere Umrahmung gewünscht, als die Niederlage Danilos gegen Mikkel Kessler.

Sind Sie sauer auf ihn?

Überhaupt nicht. Danilo ist bis an seine Grenzen gegangen, hat immer sportlich gelebt und sich gut vorbereitet. Er hat sechsmal seinen Europameistertitel verteidigt. Er hat es geschafft, einen WM-Kampf zu erhalten. Wenn am Ende ein Besserer da ist, muss man das als Sportler akzeptieren.

Würden Sie Danilo raten, seine Profikarriere fortzusetzen?

Nein. Ich bin nicht für Halbheiten. Danilo hat sportlich all das erreicht, was seinen Fähigkeiten entspricht.

Wie hat im Rückblick die Goldmedaille Ihr Leben verändert?

Das lässt sich nicht so genau sagen, weil ich nicht weiß, wie mein Leben ohne Goldmedaille verlaufen wäre. Ich wurde allerdings durch die Medaille bekannt. Nur war da mehr als eine Goldmedaille: Meine Frau Brigitte, die immer fest zu mir hielt, die unsere drei Kinder erzog, alles im Griff hatte, wenn ich unterwegs war. Mein Trainer Martin Neef, bei dem ich das Boxen erlernte. Mein Glück, zum ASK nach Frankfurt /Oder zu kommen, das Sportstudium an der DHfK in Leipzig...

Bei den Olympischen Spielen in München 1972 durften sie die DDR-Fahne ins Stadion tragen. Wie sehen Sie das heute?

Es ist für mich nach wie vor etwas besonderes, Fahnenträger bei Olympia gewesen zu sein.

Was sehen Sie als den größten Erfolg in ihrer Trainerlaufbahn?

Bei den Amateuren die Olympiasiege durch Rudi Fink in Moskau und Henry Maske in Seoul. Aber der Höhepunkt meiner Trainer-Laufbahn kam 1990.

Wie meinen Sie das?

Die Wiedervereinigung war da, und der westdeutsche Profiboxsport dümpelte ganz unten herum. Gemeinsam mit Henry Maske und Axel Schulz fassten wir den Entschluss, zu den Profis zu wechseln. In einer alten Garage der Reichsbahn haben wir angefangen, belächelt von den einen und angefeindet von anderen unserer alten Sportfreunde, die das Profiboxen ablehnten. Heute sitzen übrigens viele von ihnen in unseren Veranstaltungen. Wir haben die Zähne zusammengebissen und sind durchmarschiert.

Lehnen Sie sich nun zurück?

Keineswegs. Im Gegenteil. Sven Ottke und Markus Beyer waren die letzten Weltklasseboxer. Uns fehlt in Deutschland der Nachwuchs. Wenn wir die Spitzenstellung behaupten wollen, brauchen wir deutsche Weltklasseboxer. Das ist einfach so im Sport, dass man auf die eigenen Leute zuerst schaut. Wir müssen wieder in die Schulen, müssen dort nach Talenten suchen und diese entwickeln. Nur so können wir Boxer finden, die uns bei Olympia und später als Profis gut vertreten. Bereits die Kinder müssen für das Boxen interessiert werden. Es müsste viel mehr Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche geben.

Sie haben sich gegen Comebacks von Boxoldies gewandt, dann aber doch Henry Maske nach zehn Jahren Pause auf ein Comeback gegen Virgil Hill vorbereitet. Sind Sie sich untreu geworden?

Nein. Henry ist ein Ausnahmeathlet. Er hatte eine Motivation, wollte eine Wiedergutmachung. Ich wusste, Henry packt das.

Das Gespräch führte Manfred Hönel

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