Busfahrer als Zielscheibe der Gewalt

Ein Drittel der BVG-Fahrzeuge mit Plasteschutz, doch auch das verhindert nicht alle Übergriffe

  • Rainer Funke
  • Lesedauer: 4 Min.

Wenige Stunden nach der Tat konnte die Polizei nach Auswertung von Videobildern Ende vergangener Woche einen 14-Jährigen festnehmen, der einen Busfahrer geschlagen und verletzt hatte – ein seltener Erfolg. Rund 91 Übergriffe auf Fahrer und 116 auf Security-Leute gab es von Januar bis August bei der BVG. Eine Ursache sieht Thomas Wiener, Betriebsratsvorsitzender der BVG-Tochter Berlin Transport, darin, dass sich Aufsichtsratsvorsitzender Thilo Sarrazin (SPD) und andere Politiker in Verantwortung »offensichtlich nicht ausreichend um die Sicherheit der Beschäftigten kümmern«.

Deshalb hat Wiener die Aktion »Ende der Gewalt gegen Busfahrer« angeregt. An einem Werktag Ende Oktober oder Anfang November will man per Bus-Korso vom Sitz des Innensenators in der Klosterstraße vorbei am Roten Rathaus zur Siegessäule ziehen und damit »auf den Missstand öffentlich aufmerksam machen«, wie Frank Becker, Landeschef der »gewerkschaft kommunaler landesdienst berlin« (gkl), dem ND sagt. Der Bürger soll in den Bussen mitfahren können, um seine Solidarität zu bekunden.

Doch wird es zu dem Korso vermutlich gar nicht kommen. Man wäre bei den Fahrern, sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. Die Geschäftsführung könne aber nicht mehr als drei Busse für solchen Zweck bereitstellen, weil sonst der Takt der Fahrpläne in Gefahr gerate. Die Reserven seien gering. Mit einem Bus-Trio durch die City zu kurven, das brächte aber den besagten Protesteffekt wohl nicht.

Handlungsbedarf für mehr Sicherheit für die Busfahrer dürfte jedoch klar sein. Allerdings scheinen die Reaktionen der BVG bislang nicht auszureichen. Die bis zu 600 Servicekräfte aus dem Fundus von Langzeitarbeitslosen, die eingangs des Jahres angekündigt wurden und tagtäglich in Bussen und anderswo Dienst tun sollen, können das Gewaltproblem nicht lösen.

Dazu sind sie laut Reetz auch nicht da. Sie sollen, eingesetzt im gesamten Bereich des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg, vielmehr dem Bürger helfen, sich zurechtzufinden, ihm sagen, wo es langgeht. Davon, dass ihre Präsenz auch die Zahl der Straftaten verringern könnte, geht man bei der BVG aus. Ganz so schnell wie erhofft geht es freilich nicht. Es muss ausgebildet werden. Zunächst sind erst 20 solcher Service-Leute im Dienst – und zwar nach einem von EU, Bundesregierung und Senat finanzierten Projekt. Laut Reetz hat die BVG inzwischen zwei Millionen Euro zusätzlich für Sicherheitspersonal bereitgestellt. 30 Security-Leute sind bereits im Einsatz. Für alle Bustypen wurden zudem rechtsseitig plastene Schutzscheiben für die Busfahrer entwickelt. Damit werden derzeit ältere Busse nachgerüstet. In einem Drittel der Fahrzeuge sind sie inzwischen installiert. Neuere Typen werden nur noch gekauft, wenn sie über ein entsprechendes Schutzschild verfügen.

Ob dies dazu geführt hat, dass die Zahl der Übergriffe zuletzt geringer geworden ist, vermag man nicht genau zu sagen. Der Eindruck beim Bürger ist durch wöchentlich mehrmals publik werdende Übergriffe auf Busfahrer ein anderer. Wie Reetz sagt, gab es den dramatischsten Trend 2005/2006. Was natürlich für den betroffenen Busfahrer unerheblich sein dürfte. Als eine Garantie gegen Rowdytum erweist sich eben auch die Plastikschale nicht. Ein erheblicher Teil der Übergriffe ereignet sich, wenn der Buspilot außerhalb seiner Kabine im Interesse seiner Fahrgäste eingreifen muss.

In einigen Buslinien fährt inzwischen Sicherheitspersonal mit. Das scheint eine gewisse Wirkung zu haben. Natürlich können die Sicherheitsleute nicht allgegenwärtig sein. Und es gibt nach sorgfältig analysierter Statistik auch keine Busstrecken, auf denen ein besonders auffälliges Vorkommen an Übergriffen registriert wurde. Es passiert, so Reetz, tatsächlich allüberall – ohne jede Brennpunkte.

Zudem bleibe festzuhalten, dass es sich um ein gesellschaftliches Problem handelt, das von der BVG nicht gelöst werden kann, meint Reetz. Auch Leute der Stadtreinigung werden verprügelt, Gas- oder Stromableser die Treppe hinunter gestoßen. Selbst Polizisten und Feuerwehrleute versucht man zu verhauen. Derweil hat noch niemand plausibel erklärt, warum in Dresden, Prag, München oder Leipzig weit weniger dieser Vorfälle publik werden.

BVG-Chef Andreas Sturmowski möchte nachts in jedem U-Bahnzug einen Wachmann mitfahren lassen. Allerdings habe die BVG dafür kein Geld. Und der Senat ist bisher nicht bereit, zusätzlich zu den jährlich laut Verkehrsvertrag an die BVG überwiesenen 250 Millionen Euro weitere Mittel locker zu machen.


• 1349 BVG-Busse fahren tagtäglich durch die Stadt. Knapp neun Millionen Euro beträgt in diesem Jahr bereits der Schaden durch Vandalismus in Bussen und Bahnen sowie an Haltestellen und in Bahnhöfen der BVG.
• 33 789 Straftaten wurden 2007 im öffentlichen Nahverkehr Berlins registriert,
• 15 556 Fälle davon betreffen die S-Bahn bzw. die Bahn-AG.
• Zu den häufigsten Delikten im zählten 2007 Sachbeschädigungen (8161 Fälle), Taschendiebstähle (7153), Körperverletzungen (4759) sowie Fahrraddiebstähle (2448).
• Von der BVG wurden in den ersten fünf Monaten dieses Jahres 406 Datenträger mit Videoaufzeichnungen der Polizei übergeben, um sie bei der Aufklärung von Straftaten zu unterstützen.
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