Virtuos

Händel-Konzert

  • Uwe Schwentzig
  • Lesedauer: 3 Min.

Kein Genie der Musikgeschichte außer Mozart dürfte wohl so jung bereits so brillant und so reich in seiner Kunst gewesen sein wie Händel, der mit 21 in Rom die größten Meister und Kenner verblüffte. Als am 14. Februar 1707 bei einer glänzenden Abendgesellschaft im Palazzo des Kardinals Pamphilj auf dessen Verse die Kantate »Delirio amoroso« von Händel uraufgeführt wurde, eröffnete sich ein üppig funkelnder Kosmos an Gefühlen, Farben und dramatischen Wendungen, in dem wir heute schon den ganzen Händel wiederfinden. Nur zwei Monate später beendete dieser sein erstaunliches »Dixit Dominus«, das mit jagenden Skalen und wuchtigen Chorblöcken alles ringsum Vergleichbare hinwegfegen und 17 Jahre vor Bachs »Magnificat« eine neue Klangidee kreieren sollte. Was wissen wir schon von Händel! Umso schöner, dass seine römischen Werke in letzter Zeit durch virtuose Künstler dem Repertoire zurückgewonnen werden.

Seit 2000 macht sich auch die junge französische Dirigentin Emmanuelle Haïm mit ihrem Concert d'Astrée darum verdient und feiert weltweit Triumphe. Am vergangenen Montag im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie. Zuerst sang der französische Sopran-Star Sandrine Piau jenes »Delirio amoroso«, in dem Händel den Liebeswahnsinn eines Mädchens schildert, die ihrem Liebsten ins Totenreich folgt, doch sogar dort glaubt sie sich von ihm abgewiesen. Keine Wiederholung, die Piau nicht genial variierte und mit einer Ausdrucksfülle und so schön, als sei es das Einfachste von der Welt.

Das Ensemble bereitete seinem Namen alle Ehre! Händel hatte ja für die besten Virtuosen der Zeit geschrieben! Aber die junge Nadja Zwiener spielt ihre Violine so atemberaubend, das Vergleiche schwerfallen, der Cellist Jonathan Cohen bewegte zutiefst durch Emphase, und wie der Flötist Alexis Kossenko, zauberte Patrick Beaugiraud mit seiner Oboe etwas von der Magie des barocken Roms in den Saal. Ein Konzert der Sterne, das ans Unwahrscheinliche grenzte: So viel Brillanz, Schwung, Leichtigkeit und Leidenschaft!

Das zweite Werk des Abends: Händels letzte Kantate seiner Italienzeit – auch sie eine Art Minidrama, das sich um den Zwist der Geschlechter dreht. Gott Apoll verfolgt Dafne: Nur durch Verwandlung vermag sie ihre Freiheit zu retten. Nathan Berg modellierte mit seinem Bass mühelos in allen Lagen dieser Partie den groben und arroganten Gott, der am Ende sich selbst in einer ergreifenden Klage wandelt. Zuvor entspann sich zwischen Piau und Berg das ganze Spektrum des Konflikts mit Witz und Dramatik. Zwei strahlende Zugaben: Duette aus »Rinaldo« und aus Rameaus »Les Indes Galantes«, in dem Zima und ihr indianischer Freund den Europäern erzählen, was wahre Liebe ist – während ein ganzes Orchester inegal spielt. Wunderbar!

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