Dreifache Florenzer Renaissance

Fußball: Münchens Gegner erblüht auf den Ruinen der Vergangenheit

  • Tom Mustroph, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Florenz hat Erfahrung mit der Wiederherstellung verlorener Pracht. Die kulturelle Wiederbelebung der Antike bezeugen die Paläste der Toskana-Metropole und die bildkünstlerischen Zeugnisse in den Uffizien. In kleinerem Rahmen, dem des Fußballs, ist Florenz eine weitere Renaissance geglückt.

Nach Bankrott und Lizenzentzug war der AC Florenz 2002 in die dritte Liga relegiert worden. Mit dem Geld und Aufbauwillen der Schuhfabrikanten Diego und Andrea Della Valle, den Branchenkenntnissen des Sportchefs Pantaleo Corvino, der auf den Plätzen der kleinen Vereine und in Osteuropa immer neue Talente entdeckt, und dem psychologischen und taktischen Geschick des »Trainers des Jahres« in Italien, Cesare Prandelli, der aus diesen Talenten Spitzenspieler macht, gelang der Durchmarsch in die Spitzengruppe der ersten Liga.

Dass die Fiorentina nun sogar in die Phalanx der »großen Vier«, der

Klubs aus Mailand, Turin und Rom, eingedrungen ist, verdankt sie wiederum einer neuerlichen Renaissance. Die beiden Stürmer Adrian Mutu und Alberto Gilardino, bei ihren früheren Vereinen Chelsea London und AC Mailand bereits als Fehleinkäufe abgeschrieben, haben in Florenz eine neue Qualitätsstufe erreicht. Verantwortlich dafür ist Trainer Prandelli, der beide bereits in Parma betreut und für ihren zwischenzeitlichen Abstieg das Umfeld bei den Spitzenklubs als charakterliche Fehler der beiden verantwortlich gemacht hatte.

Der Rumäne Mutu, in London vor allem wegen ausschweifender Partys, einer Spielsperre wegen Kokainkonsums sowie tätlicher Auseinandersetzungen mit Trainer Mourinho bekannt geworden, ist in der Toskana komplett resozialisiert. Mit 16 und 17 Treffern war er der Rekordtorschütze des Vereins in den letzten beiden Spielzeiten. Doch wegen Verletzungsproblemen am linken Knie, Wechselgerüchten in der Sommerpause und Finanzproblemen ob einer 17-Millionen-Euro-Strafe wegen der Kokainaffäre in London hat Mutu in dieser Saison beim AC Florenz noch nicht in die Erfolgsspur zurückgefunden.

Der Rumäne wird derzeit von Gilardino in den Schatten gestellt. Der von AC Mailand ausgemusterte Stürmer hat einen Blitzstart mit sieben Toren in acht Spielen hingelegt. Für das Aufeinandertreffen mit den Bayern ist er besonders motiviert. Wegen eines kürzlich absichtlich per Hand erzielten Tores wurde er für zwei Spieltage in der Serie A gesperrt und ist nun voller Tatendrang auf internationalem Parkett. Weil auch Mutu seine Probleme langsam in den Griff bekommt, ist heute Abend im Stadion Franchi mit einer durchschlagskräftigeren Truppe zu rechnen als bei der 0:3-Niederlage im Hinspiel vor zwei Wochen in München.

Allerdings misslang dem AC Florenz die Generalprobe. Die Fiorentina unterlag am zehnten Spieltag beim AC Siena mit 0:1 und verlor damit vorerst den Anschluss an die Spitzenplätze.

Der deutsche Rekordmeister, der gegenwärtig die Gruppe F anführt, ist nach fünf Pflichtspielsiegen in Serie vor dem heutigen Auftritt in Florenz hingegen bescheiden geworden. »Ein Punkt wäre nicht schlecht. Das wäre ein bedeutender Schritt in Richtung Achtelfinale«, hatte Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge am Dienstag unmittelbar vor dem Abflug erklärt. Rummenigge erwartet ein »schweres Spiel, weil Florenz mit dem Rücken zur Wand steht«. Zudem muss Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann auf die verletzten Luca Toni und Philipp Lahm verzichten.

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