nd-aktuell.de / 07.11.2008 / Politik / Seite 5

Gefahr für Leib und Leben – oder ein Gesetz für Bauchgefühle?

Das neue BKA-Gesetz ist ausgehandelt: SPD ordnete sich der Union unter

René Heilig
»Wir haben ein gutes Gesetz noch besser gemacht«, sagte Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach. Aus den Worten klingt auch die Zufriedenheit, dass der Koalitionspartner SPD endlich vollständig eingeknickt ist.

Das BKA-Gesetz ist wegen seiner weitreichenden Befugnisse seit Langem heftig umstritten. Doch jetzt, so Bosbach, habe die Behörde »ein praxistaugliches Gesetz«, mit dem der internationale Terrorismus wirksam bekämpft werden könne. Die neuen Vorschriften ermöglichen dem Bundeskriminalamt neben der heimlichen Online-Durchsuchung privater Computer die Installation von Mikrofonen und Kameras für Lausch- und Spähangriffe in Wohnungen sowie Rasterfahndungen. Erstmals soll die Behörde nicht nur für die Strafverfolgung, sondern auch für die Abwehr terroristischer Gefahren zuständig werden. So war es 2006 im Rahmen der Föderalismusreform vereinbart worden.

Offiziell geht es um den Schutz von Leib und Leben der deutschen Bürger. Doch die Definition, wann Leib und Leben in Gefahr geraten, sind nicht einmal mit dem Begriff »schwammig« zu umschreiben.

BND-Chef Ernst Uhrlau beispielsweise sieht derzeit in Deutschland eine höhere Terrorgefahr als vor den Anschlägen vom 11. September 2001. »Die Sicherheitsbehörden beobachten verstärkt die Rekrutierung von Konvertiten und in Deutschland aufgewachsenen Muslimen, die teilweise einen deutschen Pass haben. Sie sind untereinander immer besser vernetzt«, sagte Uhrlau und meinte, die Gefährlichkeit liege heute in der Vielfalt der in Frage kommenden Angriffsziele.

Eine fantastische Vorlage für alle, die das BKA zu einem Geheimdienst ausbauen wollen, der mehr Ausforschungskompetenzen als bestehende haben soll

Jüngst wollte Jan Korte, Innenexperte der Bundestagslinken, wissen, wann denn die Bundesregierung eine »Terrorwarnung« ausspreche. Er erfuhr aus dem Bundesinnenministerium, dass es dafür keinerlei konkrete Grundlage gebe. Man handelt quasi aus dem Bauch heraus.

Am kommenden Donnerstag soll nun das neue BKA-Gesetz durch das Parlament gestimmt werden. Es bietet Ermittlern wie Politikern vielerlei Möglichkeiten, Bauchgefühlen nachzugeben.


GEFAHRENABWEHR: Das BKA übernimmt in der Terror-Abwehr erstmals vorbeugende Aufgaben, wenn eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit der Landespolizei nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde das wünscht.

AKUSTISCHE UND OPTISCHE ÜBERWACHUNG: Zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Staates, für Leib, Leben und Freiheit einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert darf das BKA verdeckt Personen abhören und auch Bildaufnahmen machen.

EILKOMPETENZ: Diese Maßnahmen dürfen nur auf Antrag des BKA-Präsidenten, seinem Vertreter oder einem Gericht angeordnet werden. Ist Gefahr im Verzug, darf sofort gehandelt werden.

RASTERFAHNDUNG: Das BKA kann von öffentlichen oder nichtöffentlichen Stellen die Übermittlung von personenbezogenen Daten aus Dateien verlangen. Voraussetzung ist die Abwehr schwerwiegender Gefahren.

ONLINE-DURCHSUCHUNG: Das BKA darf ohne Wissen des Betroffenen in informationstechnische Systeme greifen und aus ihnen Daten erheben. Ein Richter soll grünes Licht geben. Wurden dann Daten mittels Online-Durchsuchung erhoben, überprüfen zwei BKA-Beamte und der Datenschutzbeauftragte des BKA, ob der Kernbereich privater Lebensgestaltung verletzt wurde. Hat Letzterer Zweifel, kann er einen Richter hinzuziehen. Aufzeichnungen, die diesen Bereich betreffen, sind zu löschen,

TELEKOMMUNIKATION: Ebenfalls ohne Wissen des Betroffenen darf seine Telekommunikation überwacht werden. Daten über Verbindungen werden erhoben und bei Mobilfunk der Standort des Gerätes ermittelt.

WOHNUNGSDURCHSUCHUNG: Unter bestimmten Voraussetzungen darf das BKA ohne Einwilligung des Inhabers dessen Wohnung durchsuchen.