• Novemberrevolution 1918

Ewige Ehre?

Beisetzung in Berlin

  • Kurt Laser
  • Lesedauer: 3 Min.

Rund 30 000 Menschen versammeln sich am 20. November 1918 gegen 11 Uhr auf dem Tempelhofer Feld. Acht der 15 Revolutionsopfer der ersten Novembertage sind hier aufgebahrt. Neben dem Rednerpult hängen Kränze der preußischen Regierung und des Rates der Volksbeauftragten. Die Leitung der USPD lässt einen Kranz überbringen mit der Widmung: »Den tapferen Kämpfern der Revolution. Ihr Andenken wird ewig leben.« Die Schleife eines Kranzes der türkischen Kolonie Berlins trägt die Inschrift: »An die Helden der Freiheit«. Es sprechen Richard Müller und Brutus Molkenbuhr, die Vorsitzenden des Vollzugsrates der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte, Hugo Haase, USPD-Vorsitzender und Mitglied des Rates der Volksbeauftragten, der preußische Innenminister Paul Hirsch und Kurt Rosenfeld, einer der Volksbeauftragten für Berlin.

Müller erklärt: »Am 9. November zogen wir hinaus, eine verbrecherische Regierung zu stürzen und ein verruchtes System zu beseitigen.« Molkenbuhr betont: »Jetzt waren es wieder die Soldaten, die sich bei Ausbruch der Revolution dem gesamten deutschen Volk an die Spitze stellten.« Haase ruft den Versammelten zu: »Wir geloben am Sarge der Opfer, dass wir all unsere Kräfte einsetzen werden, dass die politische Umwälzung von einer sozialen Umwälzung begleitet wird.« Karl Liebknecht darf nicht sprechen. Er nimmt sich sein Rederecht, als der Trauerzug nach dreieinhalbstündigem Marsch durch die Innenstadt den Friedhof der Märzgefallenen im Friedrichshain erreicht hat: »Gründet fest die Herrschaft der Arbeiterklasse. Seid entschlossen gegen jeden, der sich widersetzt!«

Es ist wenig bekannt, dass im Friedrichshain nicht nur die Toten der Revolution vom März 1848, sondern auch des November 1918 beigesetzt sind. Vielleicht sollte das verdrängt werden. Die Lotto-Stiftung Berlin hat vor Kurzem 650 000 Euro dafür bewilligt, den Friedhof im Volkspark Friedrichshain zu einer Nationalen Gedenkstätte zu entwickeln. Das ist wichtig und notwendig. Von der Revolution 1918 ist indes nicht die Rede. Gefallen zu DDR-Zeiten vorgenommene Ergänzungen nicht? Etwa die drei Grabplatten, deren mittlere die Namen der Opfer trägt, während die linke Liebknechts Worte vom 20. November 1918 zitiert und die rechte Walter Ulbricht sagen lässt: »Die Vorhut der Arbeiterklasse hat in der Novemberevolution heroisch gekämpft.« Oder stört die 1961 eingeweihte, von Hans Kies geschaffene Figur des Roten Matrosen?

Am 21. Dezember 1918 wurden die Opfer einer unbewaffneten Demonstration, die im Kugelhagel von Gardefüseliere fielen, beigesetzt. Während der »Vorwärts« zunächst geschrieben hatte, »Berlin ehrt die Opfer der Revolution«, lautete die Überschrift später: »Die Beisetzung der Spartakusopfer«.

Am Morgen des 24. Dezember 1918 gab Friedrich Ebert den Befehl, die Volksmarinedivision anzugreifen. Am Sonntag, dem 29. Dezember 1918, wurden sieben der Opfer dieses Überfall ebenfalls unter großer Anteilnahme der Bevölkerung im Friedrichshain beigesetzt. Liebknecht sprach wieder und klagte die Ebert-Regierung als schuldig am Blutbad an.

Dr. Kurt Laser arbeitete bis 1990 im Museum für Deutsche Geschichte in Berlin.

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