PLATTENBAU

  • Michael Saager
  • Lesedauer: 2 Min.

Man könnte auch darüber schweigen, weil es an der wunderbaren Musik nichts ändert – weder an den hingetupften, langsam swingenden Songs, noch an Kurt Wagners zwischen Zärtlichkeit und Weisheit pendelndem sonoren Nuschelgesang. Andererseits war es das erste Mal, dass das komplette Album einer Band einer Musikzeitschrift beilag. Lambchops zehntes Album »Oh (Ohio)« gab es mit der Oktober-Ausgabe des »Rolling Stone«, zu einem Aufpreis von zwei Euro und in einer Stückzahl von 60 000.

Als »Ehe in Sachen Qualität und Synergie« bewarb die Plattenfirma City Slang den Coup. Besser begreift man ihn vielleicht als ein Verramschen von Qualität und Ausdruck musikindustrieller Verzweiflung. Ob Band und Label die richtige Zeitschrift ausgesucht hatten, darf auch bezweifelt werden, denn der »Rolling Stone« gilt hierzulande als Plattform für eine eher verschnarchte Rockberichterstattung. Einschlummern könnte man auch zu den Songs von Lambchop aus Nashville – ungefähr seit »Nixon«, dem letzten tendenziell ungeschliffenen Album der Band aus dem Jahr 2000. Seither sind die souverän zwischen Soul und Country changierenden Songs aus den Händen Kurt Wagners immer langsamer, gedämpfter, bisweilen auch behäbiger geworden – trotz des orchestralen Aufwands, der häufig um sie herum betrieben wurde. So sahen sich Lambchop nicht nur einmal dem Vorwurf ausgesetzt, eine zwar höchst niveauvolle und beständige, aber doch allzu gleichförmig agierende, also etwas langweilige Band zu sein.

Auch »Oh (Ohio)« weicht nicht ab von diesem Pfad. Doch hat man sich erst einmal mit Wagners Konservatismus abgefunden, ist »Oh (Ohio)« schlicht ein weiteres wundervolles Album, ein Geschmeide aus federnden Moll-Tönen, wolkenweich arrangiert und ungemein räumlich produziert von Roger Moutenot und Mark Nevers. Ein Album fürs genaue Hinhören, mit Songs, die man für ihre diskreten Hitqualitäten einfach lieben muss.

Wenn Wagner, der am 5. Oktober 50 Jahre alt geworden ist, und von dem es heißt, er habe seit längerem Krebs, hier in seinen Texten nicht mehr nur eine stille Verzweiflung zum Klingen bringt, sondern seine Lyrik in eine wissende, stellenweise heitere Melancholie wandelt, dann weiß man zwar nicht genau, was das bedeutet, hofft aber das Beste.

Lambchop: »Oh (Ohio)« (City Slang/Universal)
Live: 9.11. München, 10.11. Heidelberg, 12.11. Dresden, 13.11. Leipzig, 15.11. Berlin, 16.11. Hamburg

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