nd-aktuell.de / 08.11.2008 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Private Pflege unterschätzt

Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung fordert bessere Bedingungen

Elfi Schramm
In Anwesenheit von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) wurde am Freitag eine von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegebene Studie vorgestellt. Sie ist Bestandteil eines im Jahre 2007 begonnenen Projektes, das sich die Umsetzung der Gerechtigkeit unter den Geschlechtern zum Thema gemacht hat.

Die Autoren vom Zentrum »Altern und Gesellschaft« der Universität Vechta haben unter Leitung von Prof. Gertrud Backes den Umfang und die Bedeutung der privat erbrachten Pflegearbeit unter der Geschlechterperspektive untersucht. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass der Umfang dieser Arbeit extrem unterschätzt wird. Die Wertschöpfung der häuslich-privaten Pflegearbeit beträgt ihrer Meinung nach ca. 44 Milliarden Euro, was dreimal so hoch ist wie die Ausgaben für die Pflegeversicherung. Die Arbeitszeit für diesen Bereich entspricht in Vollzeitäquivalenten etwa 3,1 Millionen Arbeitsplätzen. Den Hauptanteil der Pflegearbeit leisten nach wie vor Frauen. »Die berufliche Pflege älterer Menschen hat sich als ein typischer Frauenberuf erwiesen. Männer sind in der ›direkten‹, körperbezogenen Pflege selten anzutreffen, dagegen steigt ihr Anteil in der ›indirekten‹ Pflege und dort vor allem in den Führungs- und Leitungspositionen, die teilweise eine wissenschaftliche Ausbildung benötigen.«

Die Studie belegt aber auch, dass die Art und Weise, wie Pflegearbeit derzeit organisiert ist, negative Auswirkungen auf die eigene Gesundheit und die Altersvorsorge der beruflich Pflegenden hat. Dass Frauen sich der Pflege Angehöriger opfern, wird in der Gesellschaft immer noch als selbstverständlich angesehen. Pflegende Männer dagegen finden eine besondere Anerkennung. Als erwiesen gilt, dass 44 Prozent der Pflegenden oft selber psychisch und physisch krank werden. Das trifft sowohl auf pflegende Angehörige als auch auf engagierte und gut ausgebildete Pflegekräfte zu. Auch diese werden auf Grund der sich verschlechternden Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen der Altenhilfe an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gebracht. Hier ist nach Meinung der Autoren die Politik gefragt, denn die Anzahl der Pflegebedürftigen steigt in den nächsten Jahren auf Grund der demografischen Entwicklung. Indes sinkt laut Studie die Anzahl der für private Pflegearbeit zur Verfügung stehenden Personen, da die Probleme der Vereinbarkeit mit dem Beruf steigen. Außerdem ändern sich die Geschlechterverhältnisse – Frauen stehen nicht mehr automatisch für die private Arbeit zur Verfügung.

Die Autoren fordern, die professionelle häusliche Versorgung auszubauen. Die Bundesgesundheitsministerin verwies darauf, dass mit dem zum 1. Juli in Kraft getretenen Pflegeerweiterungsgesetz neue Erleichterungen eingeführt worden seien. Demnach sollen Angehörige mit dem Anspruch auf »Pflegezeit« eine bis zu sechsmonatige Freistellung von der Arbeit erhalten, wobei aber das Gehalt nicht weitergezahlt wird. Auch hier hat die Politik noch viel zu tun.