Koalition beschenkt reiche Erben

Breite Kritik an Kompromiss zur Erbschaftsteuerreform / Struck: Regelungen vertretbar

  • Lesedauer: 2 Min.
Gewerkschaften und Opposition üben scharfe Kritik am Koalitionskompromiss zur Reform der Erbschaftsteuer.

Berlin (AFP/ND). Nach dem Koalitionskompromiss vom Donnerstagabend zeichnet sich weiterer Streit um die Erbschaftsteuer ab. Sowohl die Gewerkschaften als auch Sprecher der Opposition äußerten am Freitag Verfassungsbedenken zu dem zwischen Union und SPD ausgehandelten Kompromiss. Die SPD hatte zuvor dem Drängen der Union nachgegeben und einer Steuerfreiheit beim Vererben selbstgenutzter Immobilien an Ehepartner sowie mit Einschränkungen an Kinder zugestimmt. Auch Betriebserben können ganz oder teilweise steuerfrei bleiben, wenn sie den Betrieb weiterführen und dabei eine Reihe von Auflagen erfüllen.

Weiterhin sollen verschiedene Vermögensarten verschieden besteuert werden, kritisierte DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki. »Schwer vorstellbar, dass das Bundesverfassungsgericht diese äußerst fragwürdige Koalitionsauffassung teilt.« Ähnlich äußerte sich auch der Kölner Steuerrechtler Joachim Lang. Matecki prangerte zudem eine soziale Ungerechtigkeit der Reform an. »Der Erbschaftsteuerkompromiss verstößt gegen soziales Gerechtigkeitsempfinden«, erklärte auch Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel. Millionenschweres Vermögen werde vor einer angemessenen Besteuerung geschützt. »Die Koalition beschenkt die Profiteure der liberalisierten Finanzmärkte«, kritisierte das globalisierungskritische Netzwerk Attac. Von einer »Umverteilung von unten nach oben« sprach Linksfraktionschef Oskar Lafontaine. Die Regierung habe es »erneut versäumt, die sich immer weiter öffnende Schere bei der Einkommens- und Vermögensverteilung wenigstens ein Stück weit zu schließen«.

Kritik aus einer anderen Richtung äußerte die FDP. »Familienbetriebe bleiben die großen Verlierer der Reform«, meinte Finanzexperte Carl-Ludwig Thiele. Er forderte erneut, die Erbschaftsteuer komplett abzuschaffen. Mit dem Kompromiss werde »Schlimmeres vermieden«, erklärte DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun. Er kritisierte ebenso wie CDU/CSU-Wirtschaftspolitiker die vorgesehene Unterscheidung zwischen Produktiv- und Verwaltungsvermögen beim Vererben von Betrieben.

»Mir ging es vor allem darum, dass wir die Erbschaftsteuer erhalten«, rechtfertigte SPD-Fraktionschef Peter Struck im ZDF den Koalitionskompromiss. Die beschlossenen Regelungen seien vertretbar.

Die Erbschaftsteuerreform sieht gemäß einer Forderung des Bundesverfassungsgerichts vor, Immobilien gemäß ihrem aktuellen Wert und damit deutlich höher als bisher zu besteuern. Im Gegenzug soll es höhere Freibeträge für Ehepartner, Kinder und Enkel geben. Eingetragene Lebenspartner werden hierbei Ehegatten gleich gestellt.

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