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Die braunen Flecken der CDU

Linksfraktion in Niedersachsen dokumentiert NSDAP-Mitgliedschaft von ehemaligen Abgeordneten

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie viel alter Nazi-Geist steckte in der Gründergeneration der bürgerlichen Parteien Niedersachsens nach 1945? Zumindest die Biografie einiger früherer Abgeordneter vor allem der CDU weist auf braune Wurzeln hin. Im Handbuch des Landtages finden sich dazu aber bislang keine Angaben. Die Linksfraktion möchte das ändern.

Dr. Hermann Conring aus Leer saß von 1953 bis 1955 für die CDU im niedersächsischen Landtag, von 1953 bis 1969 war er im Bundestag. Conrings politische Karriere begann aber schon in der Nazi-Zeit. 1933 veranlasste er als Landrat die Einweisung des Kaufmanns Jakob de Jonge ins KZ: »Wegen seiner schädlichen, geschäftl. Handlungsweise gegenüber den deutschen Volksgenossen. Er ist Jude.« Am 10. August 1935 freute sich Conring in einem Schreiben an das Regierungspräsidium in Aurich, dass »jetzt in der Judenfrage erfreulicherweise wieder schärfer vorgegangen werden« dürfe. 1937 trat Hermann Conring in die NSDAP ein. Als er die Position des »Beauftragten des Reichskommissars für die besetzten niederländischen Gebiete für die Provinz Groningen« übernommen hatte, wandte er sich 1942 mit eigenen Vorschlägen zur »Behandlung der Judenfrage« an seine Vorgesetzten. Es sei »wünschenswert, wenn die Juden möglichst bald aus der Nachbarschaft des Küstenplatzes bevorzugt verschwinden.«

Die politische Vita Conrings lässt sich einer Broschüre entnehmen, die kürzlich in Hannover von der Linksfraktion im niedersächsischen Landtag vorgestellt wurde. »Braune Wurzeln – Alte Nazis in den niedersächsischen Landtagsfraktionen von CDU, FDP und DP« ist die Dokumentation überschrieben. Ihr quantitatives Ergebnis: Mindestens 71 frühere Parlamentarier dieser drei durch Koalitionen miteinander verbandelten Parteien waren vorher Mitglieder der NSDAP, mehrere zudem in der SA und SS. Nicht berücksichtigt wurden alte Nazis in den Rechtsparteien »Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten« (BHE) und der Deutschen Reichspartei, die dem Landtag in den ersten beiden Legislaturperioden angehörten.

Anlass zur Herausgabe der Publikation seien Äußerungen des CDU-Abgeordneten Bernd Althusmann gewesen, erläuterte Linksfraktionsvize Hans-Henning Adler. Althusmann hatte bei einer Landtagsdebatte im Mai laut Protokoll erklärt: »Die CDU hat ihre geistigen und politischen Wurzeln im christlichen motivierten Widerstand gegen den Terror des Nationalsozialismus. Das ist die Wahrheit.« Dem »von ihm propagierten Geschichtsbild der CDU wollten wir näher auf den Grund gehen«, sagte Adler.

Mit der Recherche beauftragte die Linksfraktion den Oldenburger Historiker Hans-Peter Klausch. Der nahm sich das Biographische Handbuch »Abgeordnete in Niedersachsen 1946 bis 1994« vor, das 1996 vom Landtag veröffentlicht worden war. Hinweise auf eine frühere Mitgliedschaft von Abgeordneten in der NSDAP, der SA oder SS, so Klausch, habe er dort jedoch »in keinem einzigen Fall« gefunden. In »Einzelfällen« bestätige das Handbuch lediglich eine Mitgliedschaft in der Hitler-Jugend.

Fündig wurde Historiker Klausch stattdessen im Bundesarchiv, wo er die »geschönten« Angaben aus dem Landtags-Handbuch mit den Beständen des vormaligen »Berlin Document Center« abglich. Hier hatten die US-Amerikaner personenbezogene NS-Akten unterschiedlichster Herkunft verwahrt, die ihnen im besiegten Deutschland in die Hände gefallen waren – unter anderem Personalakten von SS und SA, Dokumente des SS-Rasse- und Siedlungshauptamtes, Unterlagen der Einwandererzentralstelle sowie die allerdings nur zu 80 Prozent erhaltene Mitgliederkartei der NSDAP.

»Maßgebliche Politiker der konservativen Fraktionen, also von CDU, FDP und DP, waren nicht nur Mitglieder der NSDAP, sie hatten im Nazi-Staat auch herausgehobene Funktionen«, fasste Linksfraktionsvize Adler die Ergebnisse der Broschüre zusammen. Er regte auch gleich politische Konsequenzen an: Eine aus Vertretern aller Landtagsparteien bestehende Kommission solle die »unrühmliche Vergangenheit« bestimmter Landtagsabgeordneter aufarbeiten – und das Biographische Handbuch des Landtages gleich mit.

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